München
Ein fader Simpson-Comic

Franz Kafkas "Verwandlung" im Münchner Theater der Jugend

20.10.2019 | Stand 02.12.2020, 12:48 Uhr
Die Verwandlung: Regisseur und Autor Jan Friedrich stellt sich in der Münchner Bühnenfassung die Frage, für welche Formen der sozialen Isolierung das "ungeheure Ungeziefer" von Franz Kafka heute stehen kann. Es spielen: Janosch Freis und David Benito Garcia. −Foto: Treml

München (DK) Mit einem der schönsten und auch geheimnisvollsten Sätze der deutschen Literatur lässt Franz Kafka seine 1915 erschienene Erzählung "Die Verwandlung" beginnen: "Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.

" Seinen Beruf als Handelsreisender im Tuchgeschäft kann er nicht mehr ausüben, seine Familie daher auch nicht mehr ernähren, weshalb er letztlich ihren Wunsch erfüllt: Er verhungert, und seine Angehörigen atmen erleichtert auf.

Doch was destillierte der 27-jährige Regisseur Jan Friedrich aus Franz Kafkas Darstellung des Einbruchs des Irrationalen in die Alltagswelt und der Isolierung eines Individuums, der seiner Menschenwürde beraubt wird? Da der Regisseur Absolvent der Ausbildungsrichtung "Zeitgenössisches Puppenspiel" an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch ist, lässt er "Die Verwandlung" als Comic der Simpson-Familie als ununterbrochen zappelnde und zuckende, gelb angemalte und mit Perücken versehene Figuren in bunten Kostümen abrauschen.

Das Düstere und Bedrückende in Kafkas Erzählung gerinnt hier leider nur zu einer Bildästhetik aus Walt Disneys Zeichentrick-Filmstudio. Freilich, die surrealen Albträume des Protagonisten Gregor Samsa, der in dieser Version leider reichlich verwirrend auf drei Schauspieler verteilt ist (Janosch Fries, Simone Oswald und Michael Schröder), und dessen Ängste und Verzweiflung werden wenigstens als Episoden einer Fahrt durch die Geisterbahn des Unterbewussten aneinandergereiht. Doch als Krümelmonster müssen Gregors Familienmitglieder (Anne Bontemps, David Benito Garcia, Helene Schmitt) und die übrigen Figuren (Lucia Schierenbeck) mit ihren glupschäugigen Brillen vor und in Gregors Haus herumwuseln oder sie werden mit Lifekameras als furchterregende Zombies auf die bewegliche Hausfassade projiziert.

"Die Verwandlung" größtenteils nur als Horrorspektakel, das mit drei Stunden Dauer für die Zielgruppe der Jugendlichen auch noch viel zu lang geraten ist. Franz Kafka hätte eigentlich eine bessere Visualisierung für eine seiner hintergründigsten Erzählungen verdient.

ZUM STÜCK
Theater:
Schauburg/Theater der Jugend, München
Regie, Kostüme und Masken:
Jan Friedrich
Bühne:
Robert Kraatz
Dauer:
Drei Stunden
Weitere Aufführungen:
15., 16., 18. und 19. November
Kartentelefon:
(089) 233 371 55