Berlin
"Ein deutliches Zeichen"

Berliner Raser-Urteil facht Debatte über schärfere Gesetze weiter an

27.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:35 Uhr

Berlin (DK) Lebenslange Haft fürs Rasen: Zum ersten Mal sind in Berlin gestern zwei Teilnehmer an einem illegalen Autorennen wegen Mordes verurteilt worden. Zwar ist der Richterspruch noch nicht rechtskräftig, doch wird der Entscheidung Signalwirkung beigemessen: Schon das "billigende Inkaufnehmen" von Todesopfern kann ausreichen, um Raser wegen Mordes zu verurteilen.

Führt das Durchgreifen der Justiz zur Abschreckung? Wie verbreitet ist das Phänomen von illegalen Autorennen? Und was plant die Politik, um Raser auszubremsen? Hintergründe zur Debatte über neue Gesetze und das Berliner Raser-Urteil:

Wie viele Menschen sind bei derartigen Rennen schon ums Leben gekommen?

Bei dem Berliner Autorennen am 1. Februar 2016 war der Fahrer eines Jeeps, der von einem der Raser gerammt worden war, ums Leben gekommen. In den vergangenen beiden Jahren gab es mindestens fünf weitere Opfer illegaler Straßenrennen. Im April wurde in Köln eine 19-jährige Radfahrerin getötet.

Im Januar 2016 traf es eine junge Frau in Ludwigshafen, die auf dem Rücksitz saß, als der Fahrer bei einem Rennen gegen einen Baum prallte. Im August 2016 gab es bei Autorennen in Frankfurt und im Saarland mehrere Tote, die an illegalen Rennen teilgenommen hatten. Dabei geht die Zahl der Verkehrstoten insgesamt zurück. Häufigste Ursache für tödliche Unfälle ist zu schnelles Fahren.

Wie ist die geltende Rechtslage?

Rasen ist derzeit nur eine Ordnungswidrigkeit. Teilnehmer an illegalen Autorennen, bei denen niemand zu Schaden kommt, kommen daher in der Regel glimpflich davon, Haftstrafen sind nicht möglich. Wer doppelt so schnell fährt wie erlaubt, wird in Deutschland mit einem Bußgeld von maximal 680 Euro und einem Fahrverbot von maximal drei Monaten belegt - wenn er erwischt wird.

Wieso wurden die Teilnehmer des Berliner Straßenrennens dennoch wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt?

Die Anklage warf den jungen Männern vor, sie hätten zwar niemanden vorsätzlich töten wollen, aber angesichts der völlig überhöhten Geschwindigkeit mögliche tödliche Folgen billigend in Kauf genommen. Damit läge ein bedingter Vorsatz vor. Die Richter folgten der Staatsanwaltschaft und verurteilten die Fahrer wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Sie waren mit 160 Stundenkilometern durch die Berliner Innenstadt gefahren und hatten mehrere rote Ampeln überfahren.

Die Union begrüßte das Urteil. "Wer vorsätzlich Menschenleben aufs Spiel setzt, gehört ins Gefängnis und nicht auf die Straße", erklärte der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ulrich Lange. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, lobte "ein deutliches Zeichen an alle diejenigen, die glauben, aus Eigensucht das Leben anderer Menschen gefährden zu dürfen". Die Verkehrsexpertin Gesine Reichert vom Deutschen Anwaltverein geht davon aus, dass das Urteil auch vor dem Bundesgerichtshof Bestand haben wird. Der Vorwurf des bedingten Vorsatzes werde wegen des extrem überhöhten Tempos nur sehr schwer zu entkräften sein.

Müssen Raser bald generell mit härteren Strafen rechnen?

Danach sieht es aus. Auf Initiative von Nordrhein-Westfalen hat der Bundesrat vorgeschlagen, illegale Autorennen als Straftat ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. Jedem Teilnehmer würde dann eine Haftstrafe drohen. Gibt es Verletzte oder Tote, drohen bis zu zehn Jahre Haft. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich schon für den Gesetzentwurf ausgesprochen.

Das Bundesjustizministerium erklärte gestern, man werde die Initiative nun voranbringen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat allerdings einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach nicht das Strafgesetzbuch, sondern das Straßenverkehrsrecht geändert werden soll. Der Entwurf sieht aber die gleichen Strafen vor wie der NRW-Plan. "Substanziell haben wir keinen Unterschied", erklärte die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kirsten Lühmann.

Die Abgeordnete hofft, dass noch in dieser Legislaturperiode ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht wird. Lühmann regt auch an, über Haftstrafen für Raser nachzudenken, die etwa mit 70 km/h durch eine Tempo-30-Zone fahren. Die Schweizer Rechtsprechung könne dafür ein Vorbild sein.