Ein Bus wird kommen

11.04.2008 | Stand 03.12.2020, 5:59 Uhr

"Was ist nur mit dem ÖPNV-System los", fragte das Aktionsbündnis Nahverkehr am Donnerstagabend. Moderator Michael Klarner (links, im Gespräch mit Thomas Thöne) bekam so einiges zu hören. Auch INVG-Geschäftsführer Robert Frank (3. v. l.) antwortete offen. - Foto: Silvester

Ingolstadt (DK) Der ungebremste Fahrgastschwund bei der INVG provoziert Diskussionen. "Was ist nur mit dem ÖPNV-System los", fragte das Aktionsbündnis Öffentlicher Nahverkehr am Donnerstagabend bei einer Aussprache. INVG-Geschäftsführer Robert Frank stellte sich den Beschwerden seiner Kunden.

Die erste Beschwerderunde dauerte fast so lang wie eine Busfahrt von der Herschelstraße nach Knoglersfreude, also gut eine halbe Stunde. Die Zahl der Klagen und Verbesserungsvorschläge, die die Diskussionsteilnehmer im gut besetzten Daniel-Saal vortrugen, war hoch, die Variationsbreite dagegen hielt sich in Grenzen. Es entstand der Eindruck, als könne der Fahrgast auf nahezu allen Linien erleben, was im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) der Stadt Ingolstadt im Argen liegt: schlecht aufeinander abgestimmte Fahrpläne, die "miserable Anschlusssicherung am Bahnhof", zu wenige Fahrten am Abend – und das alles zu wenig attraktiven Preisen.

Die Geduldsproben nerven die Kunden besonders. Sätze der Art "Wenn’s blöd läuft, hock’ ich ewig an der Haltestelle rum, weil mein Bus nach 20 Uhr nur noch stündlich fährt", gab es in vielfältigen Versionen zu hören. Als exemplarisch darf auch ein Ehepaar gelten, das schilderte wie es ist, wenn man von der Berliner Straße zum nahen Hauptbahnhof will. Das Umsteigen an der Schrobenhausener Straße wäre ein Ärgernis, "weil der 10er seit einer Minute weg ist, wenn der 40er ankommt". Ein gutes System, resümierte ein Redner, erkenne man daran, "dass man gar keinen Fahrplan braucht".

Moderator Michael Klarner kam mit seinem Mikrofon ordentlich herum, denn die Reihe der Beschwerdeführer war lang. Warum sei der Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB) Dreh- und Angelpunkt aller Linien, wollte ein Fahrgast wissen. "Es gibt so viele Orte, wo die Ingolstädter direkt hinwollen." Den Westpark zum Beispiel. "Wieso müssen dann alle Busse immer erst durch die Stadt"

"Wo ist die Mittelschicht"

Der ÖPNV-Experte Manfred Meier, mit Gerda Büttner und Wilfried Maxim treibende Kraft des Aktionsbündnisses, ordnete die Kritikpunkte in einen Gesamtzusammenhang ein, der grundsätzliche Probleme der INVG erkennen lässt: Die Zahl der Fahrgäste sei von 55 000 pro Tag im Jahr 2000 auf 46 000 gesunken. "Wieso sind das fast nur Jugendliche und Senioren? Wo ist die Mittelschicht? "

Robert Frank, Geschäftsführer der INVG, hatte einen einsamen Job zu erfüllen an diesem Abend, doch er stellte sich der stets sachlichen Diskussion aufgeschlossen und, wenn nötig, auch einsichtig. Er nehme den Auftrag, für ein bürgerfreundliches Angebot Sorge zu tragen, sehr ernst. Die Grenzen des Budgets seien aber eng. "Wir können nur mit dem Etat haushalten, den wir zur Verfügung gestellt bekommen." Alle Wünsche nach mehr Bussen und Fahrten zu erfüllen, würde zwei bis drei Millionen Euro im Jahr mehr kosten; dieses Geld sei aber nicht da. Niemand sei "um die Aufgabe zu beneiden", bei der Verbesserung des Nahverkehrs "die richtigen Schwerpunkte zu finden".

Frank kündigte weitere Wege an, um die INVG aus der Krise zu führen: Der Nordbahnhof werde besser eingebunden, einige Linie sollen dezentral, also am ZOB vorbei, geführt werden, und die INVG-Internetseite werde im Herbst benutzerfreundlicher. Dann die Sache mit den überfüllten Schulbussen. Das, argumentierte Frank, sei fast überall ein Problem, wie jeder sehen könne, der bei Google den Begriff "überfüllte Schulbusse" eingebe.

Auch ältere Fahrgäste haben mit der INVG mitunter so ihre Not. 38 Euro zahle sie für eine Seniorenkarte, sagte eine Rednerin, ihre Schwestern in Augsburg und München müssten dagegen nur 26 Euro hinlegen. Ludwig Hörner vom Verkehrsclub Deutschland, der Stadtrat Thomas Thöne und Wilfried Maxim warben dafür, mit Hilfe attraktiver Tarifangebote neue Kunden – vor allem Autofahrer – zu gewinnen. "In anderen Städten ist es normal, dass die Leute mit dem Bus ins Theater fahren", sagte Hörner.

Der Mann von der INVG hielt dagegen: Das Jobticket für 255 Euro sei "sehr günstig". Wenn sich jetzt noch ein für alle Studenten verpflichtendes Semesterticket realisieren ließe, wäre einer seiner größten Wünsche erfüllt. Für die Kundenpflege gelte der Grundsatz: "Je enger sie sich an uns binden, desto günstiger sollen sie fahren."