Hexenagger
Ein Blick in eine längst vergangene Zeit

In der Hammerschmiede in Hexenagger zeigt Norbert Huber Handwerkskunst wie vor Hunderten Jahren

22.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:31 Uhr

Foto: Isabel Ammer

Hexenagger (DK) Seit 1470 oder noch früher gibt es die Hammerschmiede in Hexenagger. Eine der Letzten ihrer Art. Mit den alten Maschinen schmiedet Norbert Huber auch heute noch Nägel und Hufeisen für die Besucher. Auch wenn die immer weniger werden.

"Meine Großeltern haben die Hammerschmiede schon geführt und meine Eltern auch", erzählt Hubers Frau Wilhelmine. Und sie selbst suchte sich ebenfalls wieder einen Schmied - "das hat grad gepasst", sagt sie mit einem Augenzwinkern. Norbert Huber, ein gebürtiger Eininger, hatte ab 1952 bei einem Schmied in Abensberg gelernt. Anschließend ging er nach Württemberg, um Geld zu verdienen. 1958 kam er nach Hexenagger, eigentlich nicht mit dem Ziel, lange zu bleiben. "Aber der Schmied hatte zwei Töchterlein..." Er lacht. 1962 heiratete er seine Wilhelmine und übernahm die Schmiede. Nächstes Jahr wird er 80.

Von den 350 Hammerwerken, die es im 17. Jahrhundert im sogenannten "Ruhrgebiet des Mittelalters" gab, haben die Hubers das in Hexenagger mit viel Liebe und Pflege erhalten und in Stand gesetzt. Gleich neben ihrer neueren Werkstatt öffnet sich eine Holztüre in eine längst vergangene Zeit.

Es riecht nach Holzkohle, nach alten Balken und Eisen. An Haken hängen Unmengen von Zangen, schwarz verfärbt vom Feuer, und Hämmern. Vor einer großen Feuerstelle steht ein eiserner Amboss. Funken sprühen, als Norbert Huber Luft hineinbläst. Die riesigen Blasebalge können per Hand angetrieben werden - oder aber von der Schambach, die direkt an der Schmiede vorbeifließt. Das Wasser treibt ein altes, hölzernes Rad an, das die Kraft in die Werkstatt hinein überträgt. Die Jahreszahl 1639 steht über der großen Feuerstelle.

Huber greift nach einem Eisenstab, den er ins Feuer gelegt hat. Die Spitze glüht in grellem Gelb-Rot, Huber legt sie eilig auf den Amboss. Klirrend lässt er seinen Hammer darauf niedersausen, Funken spritzen, gekonnt dreht er den Stab immer wieder, bis das rote Glühen erloschen ist. Huber legt ihn zurück ins Feuer.

Er erzählt, dass in der Hammerschmiede auch Waffen, Hufe für die Pferde der Ritter und Ochseneisen - ebenso wie Alltagsgegenstände - hergestellt wurden. Alles, was man auf dem Schloss, zu dem die Schmiede gehörte, so brauchte. "Und wo so viele Leute beschäftigt waren, da hat man auch eine Brauerei gebraucht", sagt Huber. Von 1486 bis 1986 gab es die Schlossbrauerei.

Hinter der Hammerschmiede, im Garten der Hubers, sitzt auf einem Besen im Baum eine Hexe. "Das ist unsere Haga Susa, unsere Haushexe", sagt Huber mit Blick auf die Puppe. Übersetzt aus dem Germanischen heißt das Heckenhexe. Aus dem Wort "haga" entwickelte sich laut Huber auch der Beginn des Wortes Hexenagger. Auch sonst weiß er viel zu erzählen, über die Zeit der Kelten, die schon in vorchristlicher Zeit Eisenerz in der Gegend gefunden und bearbeitet hätten. Im Museum, das sich an die Hammerschmiede anschließt, reichen die Exponate von Überbleibseln aus der Keltenzeit über historische Landmaschinen und Fossilienfunde bis hin zu Haushaltsgegenständen aus vergangenen Zeiten. Und zu fast allem kann Huber eine Geschichte erzählen. Doch seit einiger Zeit kämen immer weniger Besucher, erzählen die Hubers bedauernd. Dabei hat die Hammerschmiede von April bis Ende Oktober von 9 bis 12 und von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Gruppenführungen gibt Norbert Huber ganzjährig, man muss sich nur mit ihm über Telefon (09442) 13 86 in Verbindung setzen.

Im Garten stehen direkt nebeneinander zwei Eisenkreuze. "Das hier ist aus dem 16. Jahrhundert", sagt Huber und deutet auf eines davon. Es hat ein kleines Türchen, darin steht ein Spruch: "Liber Wanderer, hier ruhen meine Gebeine, ich wollt, es wären deine." Das andere Kreuz hat Huber selbst geschmiedet. "Das hab ich für mich hergerichtet", verrät er nicht ohne Stolz. Es ist filigran und detailreich - Huber will, dass man seine Kunstfertigkeit später einmal auch an seiner letzten Ruhestätte sehen kann.

In der alten Schmiede beginnt es laut zu hämmern. Krachend knallt ein riesiger Hammer mit drei Zentnern an einem fast körperdicken Stamm auf einen Stein. Die Fallhammer kann Huber ebenfalls über das Wasserrad vor der Türe betreiben. Die Wucht des Aufpralls lässt den Besucher unweigerlich einen Schritt zurückweichen. Die Fallhämmer tragen die Jahreszahl 1633 . Huber lacht und holt das Eisen aus dem Feuer. Mit einigen geübten Schlägen auf dem Amboss vollendet er einen Eisennagel. "Der bringt Glück - und wenn nicht, kann man zumindest seinen Beruf dran aufhängen." Er lächelt verschmitzt.