Jerusalem
Ehud Olmerts tiefer Fall

Früherer israelischer Regierungschef wegen Korruption zu sechs Jahren Haft verurteilt

13.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:42 Uhr

Jerusalem (AFP) „Er ist moralisch untauglich, öffentliche Ämter zu bekleiden.“ So lautete das gestern verkündete Urteil eines Bezirksrichters über den früheren israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert, einen der versiertesten Politiker des Landes. Wegen der Annahme von Bestechungsgeldern in einem der größten Bauskandale der israelischen Geschichte soll er sechs Jahre ins Gefängnis.

Selbst wenn das Oberste Gericht in einem Berufungsverfahren das Strafmaß noch zu Olmerts Gunsten korrigieren sollte, hat sich seine immer wieder geäußerte Hoffnung auf ein politisches Comeback jetzt endgültig erledigt.

Leger gekleidet in ein offenes blaues Oberhemd und eine khakifarbene Hose verfolgte der früher mächtigste Mann im Staate die Strafmaßverkündung sichtlich müde und niedergeschlagen. Einst wurde er im „Time Magazine“ als der „vornehmste und begabteste Politiker beschrieben, der das Amt des Regierungschefs in Israel je bekleidet hat“.

Doch nun hat die Biografie des 68-Jährigen ihren Tiefpunkt erreicht. Zwar mussten in Israel schon mehrfach Ex-Minister und – wegen Sexualdelikten – auch ein Staatspräsident in Haft. Doch ein ehemaliger Regierungschef wurde noch nie zu Gefängnis verurteilt.

Immer wieder hatte Olmert die Erwartung genährt, er werde nach Klärung aller Vorwürfe in die Politik zurückkehren und das Amt des Ministerpräsidenten erneut anstreben. Trotz des riesigen Vorsprungs, mit dem Amtsinhaber Benjamin Netanjahu in allen aktuellen Umfragen als einzig aussichtsreicher Regierungschef genannt wird, trauten viele dem allezeit gewinnend auftretenden Mann mit schütterem Haarkranz zu, sich als ernsthafter Rivale in Szene zu setzen.

Doch eine unrühmliche Vergangenheit, die noch vor seiner Zeit auf der nationalen Ebene und den Weltbühnen spielte, holte ihn unaufhaltsam ein. Als Bürgermeister von Jerusalem (1993-2003) hatte Olmert laut Schuldspruch die Hand für Schmiergelder eines Immobilienentwicklers aufgehalten. Es ging um das umstrittene Holyland-Projekt, einen kolossalen Komplex von Luxuswohnungen auf einer Hügelspitze im Südwesten der Stadt.

Die Korruptionsaffäre war nicht Olmerts erste schwere Krise – die geht auf das Jahr 2006 zurück und ließ den frischgebackenen Regierungschef mit einem blauen Auge davonkommen. Als die Hisbollah im Grenzgebiet zum Libanon zwei Soldaten kidnappte, befahl er eine Großoffensive im nördlichen Nachbarland. Der Krieg erwies sich als Fehlschlag mit vielen zivilen Opfern. Eine Untersuchungskommission befand später unverblümt: Der militärisch unerfahrene Ministerpräsident sei für das Scheitern der Militäraktion mitverantwortlich.

Olmert ist ein gelernter Wirtschaftsanwalt und Zögling von Ex-Regierungschef Ariel Scharon. Er wurde am 30. September 1945 nahe Haifa geboren, studierte in Jerusalem Psychologie, Politologie und Jura und zog bereits mit 28 Jahren für die Likud-Partei ins Parlament ein. Sprosse für Sprosse kletterte er die Karriereleiter nach oben, wurde nach den zehn Jahren als Bürgermeister Handels- und Industrieminister. Scharon machte ihn zum Vizeregierungschef. Dieses Amt katapultierte Olmert an die Spitze der Regierung, nachdem Scharon im Januar 2006 durch einen Schlaganfall ins Koma fiel.

Als Olmert im September 2008 dem Ermittlungsdruck nachgab und seinen Rücktritt als Regierungschef ankündigte, versprach er noch kämpferisch, er werde die Vorwürfe entkräften. „Die mich heute verurteilen, werden es morgen bereuen“, verkündete er. Das hielt Bezirksrichter David Rosen nicht von seinem Verdikt gegen den Ex-Regierungschef ab: „Moralisch untauglich“.