Echte Fortschritte

Kommentar

01.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:58 Uhr

Ein wichtiger Tag für die 7,6 Millionen schwerbehinderten Menschen in Deutschland. Das neue Teilhabegesetz eröffnet ihnen die Chance auf ein selbstbestimmteres und sorgenfreieres Leben, auch wenn die Opposition vor Risiken warnt.

Mehrere echte Fortschritte sind zu nennen: Die Leistungen werden künftig "wie aus einer Hand" gewährt, das "Ämter-Hopping" gehört hoffentlich bald der Vergangenheit an. Für diejenigen, die einen Job suchen, wird es dank Lohnzuschüssen und engerer Zusammenarbeit mit den Jobcentern leichter, den Sprung aus der Schutzzone Behindertenwerkstatt in ein Unternehmen zu schaffen.

Und dass der Staat behinderten Menschen mehr von ihrem Ersparten und ihrem Einkommen lässt, ohne die Eingliederungshilfe zu kappen, ist ein lange überfälliger Schritt hin zu größerer finanzieller Unabhängigkeit. Dass Partnereinkommen bisher zur Finanzierung der Hilfen angezapft wurden, war zu Recht als Skandal bezeichnet worden.

Für die Reform steht jetzt der schwierige Praxistest bevor. Sogenannte Assistenzleistungen sollen künftig stärker für Gruppen erledigt werden anstelle für den Einzelnen. Das hat zu großer Beunruhigung geführt, bis hin zur Angst, Behinderte könnten künftig aus Kostengründen selbst gegen ihren Willen in Heimen untergebracht werden, wenn die Trägerorganisationen dies als zumutbar für die Betroffenen betrachten. Hier sollte die Umsetzung des Gesetzes schnell zeigen, dass die Angst unbegründet ist.

Aufgeschoben wurde die Frage, wie der Kreis der Leistungsempfänger künftig definiert werden soll - wer also welche Leistungen erhält. Der Sparzwang darf hier nicht auf Kosten der Schwächsten der Gesellschaft durchgedrückt werden, niemand darf verlieren. Unter Zugzwang sind aber auch die Unternehmen: Das Ziel, ab zwanzig Mitarbeitern einen Angestellten mit Behinderung zu beschäftigen, erfüllt bislang erst ein Bruchteil von ihnen.