Dynamik in der europäischen Hochschullandschaft

14.02.2008 | Stand 03.12.2020, 6:08 Uhr

Lebhafte Gespräche zwischen den Bologna-Experten, von links: Martin Groos (KU Eichstätt-Ingolstadt), Prof. Antoni Tomkiewicz (Lublin), Prof. Volker Gehmlich (FH Osnabrück), Pater Bechina (Vatikan), Jan Rathjen (HRK) und Prof. Ulrich Bartosch (KU). - Foto: Doyé

Ingolstadt (DK) Keine andere Stadt wurde in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit europäischen Hochschulen so häufig genannt wie die italienische Stadt am Fuße des Apennin. Bologna war auch das Thema einer internationalen Hochschultagung in Ingolstadt.

Bologna-Experten und solche, die mit diesem Thema konfrontiert werden, aus Deutschland, Italien und Polen trafen sich im Zentrum für Hochschuldidaktik (DIZ) in Ingolstadt zu einem zweitägigen Seminar, um im Rahmen des Bologna-Prozesses Qualitätsrahmen und Strukturen zu schaffen. Eines sticht bei der europaweiten Hochschulreform vor allem ins Auge, sorgt teilweise für Ablehnung und Verunsicherung: Die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master. Zu 60 Prozent, so Jan Rathjen von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), haben die Hochschulen in Deutschland diese Abschlüsse schon eingeführt. Die Agrarwissenschaftler waren dabei am schnellsten, die Sprach- und Kulturwissenschaftler hinken noch hinterher, Kunst und Musik stehen in der Rangliste ganz hinten.

Die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt ist nach Meinung des Bologna-Experten Prof. Ulrich Bartosch, der zu diesem internationalen Symposium eingeladen hatte, in dieser Hinsicht gut unterwegs. Im Europa-Studiengang, der als erstes auf Bachelor umgestellt hat, liegt die Quote der Absolventen, die das Studium in der Regelstudienzeit abgeschlossen haben, bei 90 Prozent, erläutert Martin Groos, der an der KU für Internationalität zuständig ist. Und auch bei der organisatorischen Entwicklung sind die Eichstätter gut dabei, wenn man bedenkt, dass mit der Umstellung fünf bis sechs abschlussrelevante Prüfungen pro Semester anfallen, die auch organisatorisch bewältigt werden müssen.

Durch die Verkürzung des Bachelor-Studiums um zwei Semester und der damit verbundenen Verdichtung des Lehrstoffes kommt auf die Studenten eine Mehrbelastung zu. Da bleibt nach Meinung der Professoren keine Zeit mehr für einen Nebenjob, den manche aber zur Finanzierung ihres Studiums brauchen. Prof. Volker Gehmlich aus der Bologna-Expertengruppe dazu: "Dann muss ein sozialer Rahmen geschaffen werden, damit die Studenten in Zukunft nicht mehr nebenher arbeiten müssen."

Für Prof. Bartosch steht mit der Reform der Student eindeutig im Mittelpunkt. "Früher hieß es: ,Wir sagen dir, was du weißt‘. Jetzt heißt es: ,Wir sagen dir, was du kannst‘." Auch der zukünftige Arbeitgeber muss wissen, was der Absolvent mitbringt, wie er sein Wissen in das Unternehmen einbringen kann. Das heißt bildungsübergreifende Vernetzungen schaffen zwischen Hochschule, Arbeitgebern und Schule. Ein weiteres Ziel des Bologna-Prozesses: Mehr Mobilität. Es sollte für Studenten nicht die Ausnahme, sondern vielmehr die Regel werden, den Master beispielsweise in einem anderen Land zu machen.

Die Zahl der Studienabbrecher und Langzeitstudenten sei durch die Einführung von Bachelor und Master rückläufig, ist die Meinung der Expertenrunde. Die Studien würden zügiger als bisher beendet. Dem widerspricht eine Studie des Hochschul-Informations-Systems (HIS). Danach liegt die Quote der Abbrecher unter den Bachelor-Studenten an den Fachhochschulen bei 39 Prozent, die Gesamtabbrecherzahl bei 22 Prozent. An den Unis scheitern nach der Studie 25 Prozent der Bachelor-Studenten. Für die Abbruchquoten an den Fachhochschulen seien vor allem Studiengänge wie Maschinenbau und Elektrotechnik verantwortlich, haben die Studien von HIS ergeben.

Es stehen noch viele Fragen offen, aber der Prozess hat eine Dynamik in der europäischen Hochschullandschaft erreicht, die bedeutend ist, waren sich Pater Bechina, Bologna-Experte des Vatikans, und seine Kollegen sicher. Es sei eine ganz neue Kultur entstanden. Prof. Ulrich Bartosch von der KU Eichstätt-Ingolstadt hat es geschafft, erstmals eine Expertenrunde in dieser Formation an einen gemeinsamen Tisch in der Hohen Schule nach Ingolstadt zu holen – an einem Ort, wo einst die erste bayerische Universität ihren Sitz hatte. In dieser Atmosphäre wurden Bausteine gesammelt für neue Modelle, Lehrpläne und Strukturen. Sie alle haben das gemeinsame Ziel, Studenten dem globalen Gedanken entsprechend zu mobilen Absolventen mit den gleichen Voraussetzungen auszubilden.