Ingolstadt
Durchzählen bei der Beerdigung

Beisetzungen sind in Corona-Zeiten nur mit bis zu 15 Teilnehmern gestattet - Belastung für Trauernde

25.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:22 Uhr
Begräbnisse mit Schutzkleidung wie in Italien gibt es in Bayern nicht, aber doch Auflagen. −Foto: Cruciatti, afp

Ingolstadt - Einen geliebten Menschen durch Tod zu verlieren, ist für die Hinterbliebenen nie einfach.

 

In diesen Wochen kommt zum Schmerz und zur Trauer eine starke Reglementierung bei der Beerdigung hinzu.

Das Abschiednehmen und die Begleitung auf dem letzten irdischen Weg, zwei wichtige Punkte in der Trauerbewältigung, sind stark beeinträchtigt. Denn Beisetzungen gelten als "Veranstaltungen", die wegen der CoronaKrise bekanntlich landesweit bis 19. April untersagt sind, wie das bayerische Gesundheitsministerium in einer "Information zu Bestattungen" nun allen Kreisverwaltungsbehörden, Bestattern und Friedhofsträgern mitteilt. Doch keine Regel ohne Ausnahmen, und so sind Beerdigungen weiter möglich - vom Ablauf her aber stark eingeschränkt und anzeigepflichtig.

Die Trauergesellschaft darf laut dieser amtlichen Mitteilung "nur den engsten Kreis" umfassen, erlaubt sind demnach bis zu 15 Personen, Bestattungsmitarbeiter und Pfarrer nicht mitgerechnet. Der Termin darf nicht öffentlich bekanntgegeben werden, der Abstand der Teilnehmer muss mindestens eineinhalb Meter betragen, Erdwurf und Weihwassergaben am offenen Grab und aufgebahrten Sarg sind unzulässig, und ein Handdesinfektionsmittelspender ist sichtbar aufzustellen, um nur einige Auflagen zu erwähnen. "Im Übrigen wird empfohlen. Bestattungen - soweit möglich - zu verschieben", schreibt das Ministerium. Nicht die besten Voraussetzungen, um würdevoll und im Sinn der Trauerbewältigung einen Verstorbenen zu verabschieden, wenn ein Teil der Familie außen vor bleibt und der Brauch eines Leichenschmauses im Lokal wegfällt.

Wie gehen Trauernde damit um? "Leider ist das so. Das ist höhere Gewalt, und wir müssen das hinnehmen", sagt etwa ein 61-Jähriger aus dem Kreis Pfaffenhofen, dessen Mutter am Samstag gestorben ist. Die Beerdigung findet heute statt, nach den vorgegebenen Regeln. "Es ist schon komisch, dass man danach nicht mehr zusammensitzen soll, obwohl das zur Tradition gehört", sagt der Mann. "Aber Sicherheit und Gesundheit gehen vor. Wir haben uns überlegt, ob wir den Leichenschmaus mal nachholen. "

Es fällt nicht allen Hinterbliebenen leicht, so pragmatisch zu denken, wie der Ingolstädter Geistliche Clemens Hergenröder von der Pfarrei St. Konrad weiß. Zwölf Beerdigungen mit den neuen Regeln gab es bisher in Ingolstadt,drei begleitete er - bei der letzten waren nur zwei Angehörige zugegen. Auch für ihn eine neue Erfahrung: "Wir durften nicht mal mehr in die Aussegnungshalle rein und haben alles draußen gemacht. "

Der Pfarrer weiß um die Bedeutung der Beisetzung für die Trauerbewältigung, "Hier Beistand zu leisten, steht für mich auf meiner Aufgabenliste ganz oben. Das ist eine existenzielle Situation für die Angehörigen. Sie brauchen in diesem Moment Hilfe und die Unterstützung in der Gemeinschaft. Jedes Leben ist einmalig, und das muss man bei der Beerdigung würdigen. Das werde ich auch weiter tun, jetzt eben im Freien. " Hergenröder versteht die Not der Hinterbliebenen, wenn sie nicht gemeinsam beim Trauerkaffee sitzen und den Schmerz verarbeiten können. "Es heißt ja nicht umsonst: Das war eine schöne Leich', wenn die Menschen in Erinnerungen schwelgen und der Verstorbene quasi bei ihnen ist. " Der Pfarrer will, sobald das wieder möglich ist, den von ihm betreuten Familien ein gemeinsames Gebet am Grab anbieten. "Da können dann die Angehörigen dazukommen, die jetzt nicht dabei sein dürfen. "

Der Ingolstädter Psychologe Ralf Vogel kann die Bedeutung einer Bestattung im traditionellen Rahmen nur unterstreichen. "Wichtig ist zum einen das Ritual. Es bindet die Trauer wie in einem Gefäß, man darf sie offen zeigen. Es hat aber auch eine soziale Komponente: Man ist mit Menschen zusammen, die ähnlich fühlen, das gibt Halt. Das Ganze hat außerdem eine sehr starke spirituelle Ausrichtung. Ein Trauerfall im persönlichen Umfeld lässt einen meist über den eigenen Tod nachdenken, was man geschaffen hat und was von einem bleibt. Das ist immer ein innerer Aufruf, das eigene Leben zu hinterfragen. "

Psychologe Vogel rät, in diesen für Hinterbliebene nicht einfachen Zeiten nach neuen Wegen zu suchen, die Trauer zu bewältigen. "Dazu kann man auch moderne Mittel nutzen und zum Beispiel per Videochat über den Verstorbenen sprechen oder auf ihn anstoßen. Da muss jeder seinen eigenen Ritus finden. "

DK

Horst Richter