Durch Krankheit zu neuen Ufern

07.10.2009 | Stand 03.12.2020, 4:36 Uhr

Abschied nehmen heißt es für Pfarrer Reinhard Höfer. Am Sonntag wird er offiziell von seinen Aufgaben "entpflichtet". - Foto: baj

Eichstätt (baj) Die Glatze gehört der Vergangenheit an. Haar und Bart sind inzwischen nachgewachsen. Die Leute erkennen Reinhard Höfer wieder auf der Straße, ohne zwei Mal hinblicken zu müssen. Und auch sonst macht Reinhard Höfer, seit neun Jahren evangelischer Pfarrer in Eichstätt, einen recht guten Eindruck.

Das ist nicht selbstverständlich, denn vergangenes Jahr wurde bei dem heute 58-Jährigen eine ernste Krankheit festgestellt, die sein Leben von einen Tag auf den anderen umkrempelte. Höfer war nach 16 Jahren pfarrlichem Dienst in München nach Eichstätt gekommen, weil er großstadtmüde geworden war. Schnell lebten er und seine Familie sich hier ein, er empfand die Arbeit in der Diaspora an einem katholischen Bischofssitz als "angenehme Herausforderung" und konnte gemeinsam mit Pfarrerin Evelyn Rohne und rührigen Gemeindemitgliedern – und auch mithilfe der katholischen Kirche und katholischen Institutionen – eine Menge erreichen.

Und dann kam die schockierende Diagnose: Multiples Myelom. Er habe das akustisch gar nicht verstanden, sagt Höfer. Und noch weniger "inhaltlich kapiert". Aber schnell machte ihm der Onkologe klar, was das bedeutet: Knochenmarkkrebs. Höfer wollte um die Zeit Urlaub in den Bergen machen. Doch die Ärzte mussten erst klären, ob "meine Knochensubstanz stabil genug" sei, bevor sie grünes Licht gaben. Zudem musste Höfer den Urlaub unterbrechen, und sich ambulant in Ingolstadt eine Infusion geben zu lassen. "Ich bin nicht mehr aus dem Bett gekommen vor Schmerzen." Doch seither hat er sich damit eingerichtet: Alle vier Wochen benötigt er solche Infusionen. "Jetzt mache ich das so nebenher." Die schlimmste Zeit sei die Hochdosierungstherapie und die Rückübertragung von eigenen Stammzellen gewesen, die im April in München fällig war. "Nie wieder", sagte er damals, und dank guter Werte bleibt ihm die Prozedur tatsächlich erspart.

"Meine Familie, meine Freunde und viele Leute aus der Gemeinde haben mir den Rücken gestärkt, so dass ich mich getragen fühlte", berichtet Höfer. Auch habe er "den Grundbestand an Gottvertrauen nicht verloren" – trotz gelegentlicher depressiver Phasen.

Inzwischen hat der Pfarrer auch die Krankheit als Chance begriffen, zu neuen Ufern aufzubrechen. Er sei lange genug krank gewesen, um sich innerlich von seiner Gemeinde zu verabschieden. Das sei ein schwieriger Prozess gewesen. Beispielsweise, als die Konfirmanden im Pfarrhaus herum tollten und er wusste: "Die begleite ich nun nicht mehr." Auf der anderen Seite sei er ganz froh darüber gewesen, dass seine Zeit in Eichstätt zu Ende geht: "Meine Verantwortung habe ich manchmal als Last empfunden, und die wird nun von mir genommen."

In Hechlingen am See haben Höfers ein Haus gemietet. Von dort aus will der 58-Jährige zu neuen Ufern aufbrechen: Eine Schreinerei hat er bereits eingerichtet und schon ein Bord für seine Brotkorbsammlung angefertigt, in die Berge will er gehen, vielleicht bei einer Zeitschrift mitarbeiten. Er singt in einem Kirchenchor und spielt Volleyball. Im seelsorgerischen Bereich will Höfer weiterhin tätig sein, beim "Bauernnotruf", an den sich Landwirte in Krisensituationen wenden können.

Eichstätt und seine Bewohner, das weiß Höfer schon heute, wird er vermissen. In den vielen Jahren wurden doch viele enge Kontakte geknüpft, die jetzt wohl verloren gehen. "Aber das ist Pfarrersschicksal", meint Höfer.