Ingolstadt
Doppelter Hingucker

13.01.2011 | Stand 03.12.2020, 3:16 Uhr

Ingolstadt (DK) Malerei, Zeichnung, Fotografie, Papiercollagen, Typografie – so ziemlich jedes Genre ist vorhanden in dieser neuen Ausstellung des Museums für Konkrete Kunst. Und doch gibt es nur eine Art an Exponaten zu sehen: Plakate, 100 an der Zahl, und die besten noch dazu.

 Eine hochkarätige Jury unter dem Vorsitz des Schweizer Grafikdesigners Trix Barmettler wählte im vergangenen Frühjahr die Preisträger des Jahres 2009; nach einer einjährigen Ausstellungstournee durch Berlin, Essen, Dornbirn, Luzern und Wien sind "100 beste Plakate 2009" nun zum Abschluss seit gestern Abend in Ingolstadt zu sehen.

Das übrigens in der Galerie des Theaters – eine Wohltat nach der Präsentation 2008 im Overkill-Ambiente des Sparkassenfoyers. Und nicht nur das: Beim Eintritt in die Theatergalerie wird der Gast zudem von einer verblüffenden, dreidimensionalen Gebirgslandschaft in Weiß empfangen, durch die es sich trefflich wandeln und schauen lässt. Denn Prismenformen aus Pappe, von den Machern des Ausstellungsortes beliebig zu drehen, zu wenden, auf- und ineinander zu schachteln, fungieren als Bildträger der Schau. Auch wenn Museumsleiter Tobias Hoffmann und sein Team viel Kreativität beim Landschaftsbau zeigten, gebührt ihnen doch nicht allein das Lob für die äußerst anregende Präsentation. Eine Projektgruppe der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main entwickelte Konzept und System des Plakatraums – auch die Ausstellungsgestaltung gehört traditionell zum Wettbewerb.

Offenbar wie auch die Ausrichtung der Designer. Produktplakate, also Werbung im engsten Sinn, sind nicht zu sehen, vorwiegend aus dem kulturellen und politischen Bereich stammen die Themen, reichen vom Theaterplakat über die Ankündigung des Christopher-Street-Days bis zum Aufruf zu Toleranz und anders zu verstehender Rechtsstaatlichkeit.

Das ist, zusammen mit der Zugehörigkeit zum deutschsprachigen Raum, aber auch schon die einzige Gemeinsamkeit zwischen den Arbeiten der Gestalter, zu denen Professoren oder Grafikbüros ebenso gehören wie Studierende.

Ungeheure Vielfalt in der Vermittlung von Inhalten tut sich dem Betrachter auf. Da ist ein Riesenporträt Maos, dessen Gesicht feine Schweißtropfen zieren – um "Global Warming", die globale Erwärmung, geht es hier. Da ist der groß hingekrakelte Satz "Franz jagt im komplett verwahrlosen Taxi quer durch Bayern" mit zahllosen Notizen ("unsauber!") korrigiert – um für eine Vorlesungsreihe der Typografie-Professur der Hochschule für Gestaltung in Offenbach zu werben. Da blicken in Serie ausgemergelte Gesichter in die Kamera – Sinnbild der Theaterproduktion "Burn Out" in Bern. Und mit hinreißenden cartoonesken Tierszenen zeigt die Heinrich-Böll-Stiftung wie man "Demokratie buchstabiert". Schwarzweiß oder farbig, plakativ oder fein gezeichnet, witzig oder ernst, aber beinah immer mit originellem Aha-Effekt: Schwer ist es bei solcher Vielfalt, das eigene Lieblingsplakat zu finden. Was man aber tun sollte, um an einer Art Verlosung des Museums teilzunehmen, bei der eben jenes zu gewinnen ist.

Zur Auswahl steht übrigens auch eine Arbeit des Ingolstädter Designers Darius Gondor, der bereits zum dritten Mal in die Bestenliste aufgenommen wurde. Dieses Mal entwarf er ein Einladungsplakat zur "Blauen Stunde" eines Design-Büros – mit fotografierten Papierbuchstaben, die die langen Schatten jener besonderen Tageszeit stimmungsvoll und fein aufs dämmerige Plakatformat werfen.