Unterpindhart
Doppelbödiger Witz

08.11.2010 | Stand 03.12.2020, 3:29 Uhr

Kabarettist Mathias Tretter kam bei seinem Gastspiel auf dem Pindharter Brettl gut an. - Foto: Zurek

Unterpindhart (GZ) Laut Programmtitel will er "Staatsfeind Nummer elf" enthüllen. Am Ende hat er bei einem kabarettistischen Rundumschlag auf den Unterpindharter Brettln viel mehr als das getan. Gnadenlos entlarvt Mathias Tretter Phrasendrescher, blasierte Möchtegern-Intellektuelle, gierige Bänker, korrupte Politiker und eine perfide Strategie zur Vernichtung der BRD.

Vor allem aber entblößt er den Deutschen an sich, der "zu 90 Prozent aus Wasser und zu zehn Prozent aus Geschichte" besteht. Die bittere Erkenntnis: Irgendwie ist keiner frei von Schuld wenn der Staat krankt – denn am gefährlichsten sind jene Bomben, die sich hinterm Brett vorm Kopf verbergen.
 

Tretter zerpflückt mit analytischem Blick die gesellschaftliche und politische Realität im Lande, teils zynisch, teils satirisch. Lässt von "Heil-Praktikern" (Neonazis), powershoppenden "Tussen" bis zum Rassismus in Amerika (wo ein Schwarzer Präsident wird, weil die "Scheißjobs" ja immer die Neger machen) kein Thema aus. Mit Genuss demontiert er Sarrazin, Westerwelle, Merkel und Co. Und räumt mit Ammenmärchen wie der 68er Revoluzzer-Generation auf, die im Gegensatz zu den Protestierenden von 1989 "nie ihre körperliche Unversehrtheit riskiert" haben.

Manchmal braucht es einen Moment, bis man erkennt, dass sich selbst hinter dem vermeintlich platten Schenkelklopfer ein doppelbödiger Witz verbirgt. Sprachlich und vom Bildungshorizont her waren die "elf Jahre Germanistikstudium", die den Künstler auch an Freud und Adorno haben schnuppern lassen, offensichtlich nicht umsonst. Schauspielerisch gelingen Tretter Mimik und Duktus seiner Gestalten, ob er nun als bekiffter Ansgar, lispelnder Logopäde oder als hochnäsiger Manager auftritt. Herrlich auch sein eigenes "Es", das Volkes Stammtischstimme proletenhaft Gehör verleiht.

Bravorufe und heftiger Applaus sind der Lohn für einen, dessen Suche nach dem wahren Feind im Staate – so sie denn auf breiter Basis Gehör fände – sicher mehr zur Wahrung der demokratischen Kultur beitrüge, als es beispielsweise Nacktscanner können. . .