Ingolstadt
Die Zucheringer sind gespalten

Viele äußern Bedenken wegen afrikanischer Flüchtlinge in der nahen Kaserne - Doch nicht jeder ist skeptisch

17.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:12 Uhr
Diese junge Familie gehört zu den über 700 Asylbewerbern aus Nigeria, die derzeit in Ingolstadt untergebracht sind. In Zuchering gehen die Meinungen zu den Afrikanern auseinander. −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Die steigende Zahl von Flüchtlingen im Umfeld der Sammelunterkünfte beschäftigt die Bürger. Vor allem die Bevölkerung in der Nähe des Transitzentrums Manching/Ingolstadt, in dem seit Juni Hunderte Afrikaner untergebracht sind, scheint gespalten.

Viele verspüren ein gewisses Unbehagen, obwohl es bislang keine konkreten Probleme gab.

Es ist ein kalter Novembernachmittag im südlichsten Teil der Stadt. An einem Supermarkt an der Weicheringer Straße erledigen die Zucheringer ihre Einkäufe fürs Wochenende. Dass unter den Kunden auch zwei Nigeriannerinen sind, überrascht hier niemanden. Längst haben sich die Bürger daran gewöhnt, dass die dunkelhäutigen Asylsuchenden, die seit Mitte des Jahres in der ehemaligen Max-Immelmann-Kaserne untergebracht sind, auch im Ort unterwegs sind. Zuvor waren es überwiegend Menschen aus der Balkanregion und Osteuropa, die das Bild in der Umgebung der Sammelunterkunft prägten.

Gewohnheit ja, Akzeptanz nur bedingt - dieser Eindruck entsteht im Gespräch mit den Zucheringern. Denn in Teilen der Bevölkerung herrschen diffuse Ängste und Unbehagen gegenüber den dunkelhäutigen Asylbewerbern, die Fremde löst bei vielen Besorgnis aus. "Es passiert zwar wenig, aber es ist schon irgendwie ein komisches Gefühl", beschreibt etwa eine 20-jährige Zucheringerin ihr Unwohlsein beim Anblick der Afrikaner im Ort. Sie fühle sich einfach ein bisschen mulmig, vor allem Abends, wenn es dunkel ist. Man sei es einfach nicht gewohnt, so viele Fremde hier zu haben, erklärt die junge Frau, die gerade auf den Bus wartet.

"Wir wohnen in der Oberstimmer Straße", berichtet derweil eine Mutter, die mit ihrem Sohn beim Einkaufen ist. Damit wohnt sie direkt an der Verbindungsroute zwischen Unterkunft und Supermarkt, die viele Flüchtlinge häufig nutzen, um Lebensmittel zu besorgen. Sie störe vor allem der Müll, den die Afrikaner im nahe gelegenen Park hinterließen. Selbst menschliche Exkremente habe die Hundebesitzerin in den Büschen bereits gefunden, sagt sie. Zwar würden viele der Asylbewerber grüßen, doch: "Wenn man freundlich ist, hat man sie am Hals", bemerkt die Mutter, die lieber anonym bleiben möchte. Generell habe sie jedoch kein Problem mit den Asylsuchenden, betont die Frau.

"So wie das jetzt organisiert ist, kann es nicht hinhauen", kritisiert ein 86-jähriger Rentner, der ebenfalls in jenem Supermarkt einkauft, die aktuelle Lage: "Die sind alle auf einem Haufen, so integrieren sie sich nicht", bemerkt der Mann. Er ist ungarischer Herkunft und selbst einmal "Ausländer" gewesen, wie er berichtet. Gegen die vielen Dunkelhäutigen im Ort hat er nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil: "Die Jetzigen benehmen sich besser, sie sind nobler als die zuvor." Der Rentner bezieht sich damit auf die Flüchtlinge aus Osteuropa und dem Balkan, die zuvor in der ehemaligen Kaserne untergebracht waren.

In ihrer Hofeinfahrt in der Urnenfelderstraße unterhält sich Anita Uher-Uebigau mit einem Bekannten. Auch sie hat den Zuwachs von dunkelhäutigen Passanten bereits wahrgenommen. Mehr Müll habe sie jedoch nicht beobachten können, sagt die 52-Jährige. "Im Gegenteil, es sind oft deutsche Jugendliche, die auf dem Spielplatz Müll hinterlassen", stellt die Anwohnerin fest. "Es fühlt sich nicht so an, als würden sie sich rumtreiben." Obwohl sie persönlich keine Probleme mit den Flüchtlingen hat, spricht die Zucheringerin von "sehr vielen" im Ort, die "sehr anti" seien. Ihr Gesprächspartner, ein Rentner, kritisiert vor allem die Informationspolitik in Deutschland: "Die Bürger werden nicht aufgeklärt über die Situation in Afrika", bemängelt er. Die Flüchtlinge in Zuchering betreffend gibt er sich ebenso wie seine Vorrednerin tolerant. Es sei jedoch einmal ein zwölfjähriges Mädchen, die Tochter eines Bekannten, von einem Afrikaner belästigt worden. "Das geht natürlich überhaupt nicht!", kommentieren die beiden unisono.

Und die Flüchtlinge selbst? Die beiden Nigeriannerinnen, die gerade auf dem Weg in den Supermarkt sind, haben bisher nur positive Erfahrungen mit den Zucheringern gemacht. Diese seien stets freundlich, wenn gleich sie bisher nur wenig Kontakt mit den Einheimischen gehabt hätten. Das Problem für sie sei ein ganz anderes, denn die 22- und 25-jährigen Frauen hadern im Vergleich zu den Zucheringern mit ihrer Unterbringung: Schlechtes Essen, kalte Zimmer, zu viele Menschen auf engstem Raum. Wie die Bevölkerung auf sie reagiert, beschäftigt sie indes allen Anschein nach nur wenig.

Eines wird im Gespräch mit den Einheimischen allerdings rasch deutlich: Die Meinungen gehen weit auseinander und die Beobachtungen sind sehr subjektiv. Viele äußern mit Blick auf die große Zahl afrikanischer Flüchtlinge Sorge, konkret begründen können sie das allerdings häufig nicht. Doch dass die Zucheringer sich mit dem Unvermeidbaren arrangieren müssen, ist unbestritten. Denn die Staatsregierung hat bereits im Frühjahr per Dekret den Kurs vorgegeben. Aus den Rückführungszentren wurden Transitzentren für Asylsuchende mit geringen Bleibeperspektiven, zu denen Flüchtlinge aus Nigeria zählen. Nur davon bekamen viele Städter nichts mit. In Zuchering, wo derzeit die meisten der insgesamt 724 Flüchtlinge aus dem afrikanischen Land untergebracht sind, spürt die Bevölkerung den Kurswechsel jedoch deutlich, so viel ist sicher.