Riedenburg/Elsendorf
Die wilde Zeit der Hopfenzupfer

In der Holledau kam es unter Erntehelfern schnell zu Streitigkeiten – 1903 starb sogar ein Riedenburger

11.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:31 Uhr
Die unversehrte Mainburger „Eingreiftruppe“, vermutlich mit Beamten des Bezirksamtes Mainburg. −Foto: Archiv Hans Neumaier

Wolnzach/Elsendorf (WZ) Überall in der Hallertau gab es zur Hopfenzupferzeit immer wieder wilde Prügeleien oder Streitigkeiten. Selten eskalierte es allerdings so wie am 31. August des Jahres 1903 beim sogenannten „Hopfenzupferkrieg“, der sogar ein Todesopfer forderte.

Hopfenzupfen war vor rund 100 Jahren eine harte, raue Arbeit. In dieser Zeit kam es auch zu teils heftigen Auseinandersetzungen zwischen Hopfenzupfern, Einheimischen und der Polizei. „Das Ehrempfinden war damals ein anderes“, erklärt Christoph Pinzl vom Hopfenmuseum in Wolnzach. „Da kam es schnell zu Handgreiflichkeiten.“ Die Männer lebten außerdem in den Scheunen der Bauern eng zusammen, sie kamen aus unterschiedlichen Gegenden und waren sich somit fremd. „Die Situation kann man mit den Flüchtlingen in den Unterkünften heutzutage vergleichen“, sagt Pinzl. Da lebten auch junge Männer aus vielen Ländern eng zusammen und es käme ab und zu zu Konflikten. Früher war es vor allem die Eifersucht der Männer, die Konflikte provozierte. Denn schließlich waren auch Frauen unter den Zupfern. „Da musste nur einer eine Frau schief anschauen und sofort gab es Streit.“ Sogar Todesopfer gab es ab und zu, wenn jemand das Messer zückte. „Die spektakulären Fälle waren allerdings sehr selten“, sagt Pinzl.

Ein solcher Fall ist der „Hopfenzupferkrieg“ im Jahr 1903. Nach den Auswertungen einiger Zeitungsberichte und der Unterlagen des Staatsarchivs Landshut hatte eine Gruppe von Hopfenzupfern am Montag, 31. August 1903, gegen Mittag die Arbeit im Hopfengarten verlassen, um zum Bachmaierschen Wirtshaus in Appersdorf bei Elsendorf zu ziehen. Dort soll der Streit zwischen zwei jungen Hopfenzupfern um eine junge Regensburger Pflückerin seinen Anfang genommen haben. In Appersdorf fiel zunächst keine Entscheidung, lediglich die Wirtshauseinrichtung wurde zertrümmert und die Zahl der Rauflustigen nahm zu.

Unter der Drohung, dort ebenfalls alles zusammenzuschlagen, zog die Gesellschaft weiter nach Elsendorf, wo man gegen 13 Uhr vor dem Ostermeierschen Gasthaus eintraf. Den Wirt in Elsendorf ereilte das gleiche Schicksal, denn die gesamte Gaststube ging zu Bruch. Nun rief man nach der Polizei in Mainburg, die nach der Alarmierung sofort nach Elsendorf strampelte. Dort zog sich die Fehde mit inzwischen etwa 200 bis 300 Beteiligten bereits durch die ganze Ortschaft und niemand wusste mehr, warum eigentlich gerauft wurde. Der Wolnzacher Anzeiger vom 5. September 1903 schreibt dazu: „Die herbeigerufenen Gendarmen vermochten dieser wilden Horde kaum Herr zu werden. Die bereits in Fesseln gelegten Aufrührer konnten sich derselben wieder entledigen, kurz: Es schien sehr gefährlich zu werden.“ Zahlenmäßig von Haus aus unterlegen, lediglich unterstützt vom Elsendorfer Gemeindediener, waren guter Rat und schnelle Hilfe teuer. Irgendjemand muss dann auf die rettende Idee gekommen sein.

Bei Mitterstetten befanden sich Soldaten des 8. Feldartillerieregiments, stationiert in Nürnberg, bei ihrem Herbstmanöver. Diese wurden angefordert, und so rückte die Batterie – vermutlich mit 60 Mann – in das Dorf ein, um den Kampf zu beenden.

Doch, so überliefert Lorenz Kettner im Buch „Hallertauer Hopfenbau“, nahm die „Friedensmission“ zunächst eine unerwartete Wendung: „Mit voller Kraft stürzten sich die Truppen gleich in den Kampf, mit dem Resultat, dass alle zuerst feindlichen Pflücker gemeinsame Front gegen die Soldaten machten.“ Die „waffentechnische“ Überlegenheit der Soldaten dürfte dazu geführt haben, dass nach und nach die Ruhe, insbesondere durch einige Verhaftungen, wieder hergestellt werden konnte.

Bei dem Großkampf starb ein Riedenburger. In der abschließenden Stellungnahme vom 3. Oktober 1903 an die Regierung von Niederbayern schreibt die Gendarmerie Mainburg: „Das einzige Opfer, welches dieses Jahr die Hopfenzeit forderte, war der am 12. September dieses Jahres im Distriktskrankenhaus Mainburg verstorbene ledige Schweizer (Melker, Anm. d. Red.) Johann Weile von Riedenburg, welcher nach einer exzessiven Rauferei, wie man vernimmt, von dem Gemeindediener in Elsendorf durch einen Hieb mit dessen Säbel derartig am Hinterkopf verletzt wurde, dass er den Verletzungen nach kurzem Kranksein erlegen ist.“