Ernsgaden
Therapie mit Beschäftigung und Tieren

Seit 20 Jahren besteht in Ernsgaden das Regenbogen-Heim für Menschen mit psychischer Behinderung

11.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:31 Uhr
Das Regenbogen-Heim für seelisch kranke Menschen besteht in Ernsgaden nun seit 20 Jahren (September 2017) −Foto: Zurek, Magdalena, Geisenfeld

Ernsgaden (GZ) Seit nunmehr 20 Jahren bietet das Haus Regenbogen in Ernsgaden Menschen mit psychischer Behinderung eine Heimat. Manche leben hier dauerhaft, manche nur vorübergehend. Mit der Gemeinde ist über die Jahre ein gutes Miteinander gewachsen.

Bunte Blumen neigen ihre Köpfe über den Holzzaun an der Einfahrt zu dem in freundlichem Gelb gehaltenen Gebäude-Ensemble, in dessen schattigem Innenhof es sich einige Bewohner gemütlich gemacht haben. Zwei Katzen räkeln sich in der Sonne, auch sie gehören zu dem sozialtherapeutischen Wohnheim, in dem derzeit 17 Menschen mit einer chronischen psychischen Behinderung leben. Früher befand sich auf dem Gelände ein Bauernhof, und noch heute wird hier Biogemüse für den Eigenbedarf angebaut. Dass es neben den Stubentigern Ciara und Timmy auch noch drei Kamerunschafe, fünf Laufenten und zehn Hühner gibt, ist Teil des therapeutischen Konzepts. „Die Tiere erobern schnell die Herzen der Erkrankten und helfen ihnen, Verantwortung zu übernehmen und sich emotional zu öffnen“, erklärt dazu Ulrike Suffel-Rinkl, Regionalleiterin der gemeinnützige Regenbogen Wohnen GmbH, die als Träger des Heims fungiert.

Seit vor 20 Jahren die ersten Bewohner eintrafen, hat sich hier einiges verändert. „Zunächst wurde nur das Wohngebäude des leerstehenden landwirtschaftlichen Anwesens der Familie Simon genutzt“, erklärt Suffel-Rinkl. Schon bald wurde auch der benachbarte Stadel umgebaut und im Juli 1998 eingeweiht. „Vor sechs Jahren haben wir dann die alte Scheune zum Verwaltungstrakt umgebaut“, fährt sie fort. Im Erdgeschoss befinden sich nun die Räume für die Beschäftigungstherapie, im ersten Stock zwei Büros und ein Gesprächszimmer. Heute besteht die Anlage insgesamt aus zwei, über den Hof verbundenen Wohnhäusern, die über jeweils eine Küche sowie einen Gemeinschaftsraum und insgesamt 17 Einzelzimmer verfügen.

Doch nicht nur räumlich hat sich einiges getan. „Der Regenbogen-Gedanke hat sich konsolidiert,“ sagt dazu Ingrid Demmer, die von der ersten Stunde an in Ernsgaden als Betreuerin gearbeitet hat. Am Anfang habe die Überzeugung einiger engagierter Mitarbeiter des Bezirkskrankenhauses Haar gestanden, dass „innerhalb eines Krankenhauses der Rehabilitation psychisch Kranker Grenzen gesetzt sind“. Wer nach einer Therapie aber einfach wieder in sein altes Umfeld zurückkehre, der erlebe nicht selten einen „Drehtür-Effekt“, ergänzt Suffel-Rinkl. Das heißt: Ohne Hilfe fallen die Patienten wieder in alte Verhaltensmuster zurück. Mit der Einrichtung einer ersten betreuten Wohngemeinschaft in München ging man dank des Vereins „Regenbogen“ ab 1988 neue Wege.

Aus dem von Idealismus getragenen Versuchsprojekt ist mittlerweile ein fachlich fundiertes Erfolgsmodell mit betreuten Heimen, Wohngemeinschaften und Einzelwohnplätzen, Tagesstätten und Zuverdienstprojekten in ganz Oberbayern geworden, dessen Qualitätsstandards stetig überprüft werden. „Für jeden unserer Klienten wird ein eigener Hilfsplan erstellt“, verweist die Regionalleiterin auf die umfangreiche Dokumentationspflicht, die für eine ganz- oder teilweise Übernahme der Kosten als Eingliederungshilfe nach SGB XII nötig ist.

„Unsere Bewohner brauchen sehr viel Aktivierung, Motivation und Zuspruch“, erklärt Suffel-Rinkl. Zuständig für die Betreuung ist in Ernsgaden ein 13-köpfiges Team, das Sozialpädagogen, Krankenpfleger, Beschäftigungstherapeuten, Heilerziehungspfleger in spe und Hauspersonal umfasst. Sie sind, wie es die stellvertretende Heimleiterin Monika Buchenrieder einmal formulierte, so etwas wie der „soziale Kitt“ zwischen den in ihrer emotionalen Wahrnehmung stark eingeschränkten Bewohnern und der Umwelt.

Zu einem besonderen Höhepunkt geriet für Betreuer und Betreute im vergangenen Jahr ein von der Aktion Familien in Not unterstützter, viertägiger Aufenthalt am Schliersee. „Solch intensive Reize, die die Muster des Alltags durchbrechen, führen manchmal kurzzeitig zu einer völligen Symptomfreiheit“, erlebt die Regionalleiterin immer wieder.

Albert Simon, der auf dem ehemaligen Hof in Ernsgaden aufwuchs, ist heute hier als Mitarbeiter der Beschäftigungstherapie tätig. Auch seine Mutter wohnt noch in einem eigenen Haus auf dem Gelände und ist sozusagen „voll integriert“. Was umgekehrt in Ernsgaden auch für die Männer und Frauen aus dem Regenbogenhaus gilt. „Wir haben hier ein gutes Miteinander“ sagt Simon.

Zu danken sei dies unter anderem Bürgermeister Karl Huber, der sich von Anfang an sehr für das Regenbogen-Heim eingesetzt habe. Bei örtlichen Festen ist das Haus Regenbogen immer mit von der Partie, einige künstlerisch begabten Bewohner stellen in der „Alten Schmiede“ ihre Werke aus, während umgekehrt die Kinder des Ortes willkommene Gäste auf dem Regenbogen-Hof sind. „Gemeinsam mit dem Kindergarten Mondschauk’l haben wir auch eine Ausstellung im Geisenfelder Rathaus bestückt“, erzählt Simon. Und die Kosten für den Gemeindebus tragen Regenbogenheim und Kommune gemeinsam.

Als besonderes Zeichen der gegenseitigen Verbundenheit wertet Suffel-Rinkl die Tatsache, dass „jedes Jahr Zehntklässler der Gnadenthal-Gymnasiums bei uns ihr Praktikum absolvieren“. Der Grund: „Viele haben uns als Kinder bereits besucht, um die Tiere zu füttern oder zu streicheln.“ An Ostern, so sei es schöner Brauch, verstecke man auf dem Gelände immer ein paar Nester für die kleinen Gäste. Auch Rettungsassistent Thomas Thunig, der heute die Mitarbeiter des Heimes in Erster Hilfe unterrichtet, habe schon als kleiner Bub öfter vorbei geschaut.