München
Die Welt als große Bühne

Die Monacensia präsentiert Erika Mann als politisch wache Frau

18.10.2019 | Stand 23.09.2023, 9:04 Uhr
Kämpferische Frau: Erika Mann, 1948. −Foto: Florence Homolka/Münchner Stadtbibliothek/Monacensia

München (DK) "Es ist also ein Mädchen", notiert Thomas Mann am 9. November 1905, und ergänzt, einen Sohn hätte er als "poesievoller, ? als Fortsetzung und Wiederbeginn" der eigenen Person empfinden können.

Aber Mann sollte nicht Recht behalten. Denn seiner erstgeborenen Tochter Erika gelang es, sich als "Kabarettistin, Kriegsreporterin, politischer Rednerin" einen Namen zu machen - so der Untertitel einer Ausstellung über Erika Mann in den Monacensia. Dennoch sind obige Zeilen des Vaters ein signifikanter Prolog zu der Schau, die erstmals diese Tochter in den Mittelpunkt stellt und den Rest der berühmten Familie nur am Rande erwähnt. Der Literaturwissenschaftlerin Irmela von der Lühe ist es gelungen, mit biografischen Dokumenten, Manuskripten, Fotografien und Originaltönen ein lebendiges Bild dieser kämpferischen und humorvollen Frau, die stets für Freiheit und Demokratie eintrat, zu entwerfen.

Wobei der Begriff der Freiheit sich für Erika Mann im Laufe der Jahre wandelte. In ihrer Jugend, mit kurzen Haaren, Hosenanzug und Zigarette, verkörperte sie das neue Bild der Frau in einer privilegierten Gesellschaftsschicht. Nach ihrer Schauspieler-Ausbildung bei Max Reinhardt in Berlin geht sie 1927 auf Weltreise und gewinnt 1931 eine Auto-Rallye durch Europa. Die Mann-Tochter "hat die Welt als große Bühne verstanden für ihr Spiel - bis aus dem Spiel Ernst wurde", so von der Lühe. Die Kuratorin der Ausstellung sieht Erika Mann als "Schauspielerin, die sich politisiert" und am 1. Januar 1933 das Kabarett "Pfeffermühle" gründet, Wand an Wand mit dem Hofbräuhaus, wo die aufkommenden neuen Machthaber schäumen.

Noch im selben Jahr muss das Ensemble nach Zürich ins Schweizer Exil gehen. Als "Prinz von Lügenland" singt sie dort: "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht; wer immer lügt, dem wird man glauben." Doch auch in der Schweiz werden die über tausend Vorstellungen behindert durch Krawalle, Auftrittsverbote und Zensurauflagen. Der Versuch, das Kabarett schließlich in den USA zu etablieren, gelingt nicht.

Amerika erscheint Erika Mann als das Land der Demokratie. Ihren Durchbruch erlebt sie am 15. März 1937 im Madison Square Garden in New York, wo sie vor 23000 Menschen zum Boykott der Waren aus Nazi-Deutschland aufruft. Die Literatur-Ausstellung, die auch Schulklassen ansprechen will, bietet dazu ein Rednerpult mit Texten von Erika Mann vor einem wandgroßen Foto der Arena. Die kämpferische Deutsche im Exil trat damals eine Vortragsreise durch die USA an - leider sind davon bisher keine Ton- und Filmaufnahmen aufzufinden. Aber in einem Telegramm lobt der Vater seine Tochter, die "als selbstaendige Persoenlichkeit" und zugleich "gewissermassen an meiner statt als meine Tochter und als meines Geistes Kind" spreche. Die Liste der Einnahmen pro Vortrag - zwischen 50 und 250 Dollar pro Abend - mutet allerdings wie der trotzige Versuch der Tochter an, dem Vater ihre berufliche Eigenständigkeit zu beweisen.

Erika Mann ist aber mehr als eine politisch wache Rednerin - sie sucht auch weiter das Abenteuer. 1940 ist sie als Journalistin während des "Blitzkrieges" in London, 1943 als Kriegskorrespondentin der 9. US-Armee in Ägypten, Persien und Palästina, 1945 als Korrespondentin bei den Nürnberger Prozessen. Mit der Rückkehr in die Schweiz 1952, zusammen mit den Eltern, endet die Karriere einer Frau, die sich politisch einmischte und ihre Stimme erhob. Sie veröffentlicht die Briefe ihres Vaters und stirbt am 27. August 1969 in Zürich.

Bis zum 30. Juni 2020 in den Monacensia, Maria-Theresia-Straße 23, Infos unter www.muenchner-stadtbibliothek.de/monacensia

Annette Krauß