Eichstätt
Die soziale Rolle des bayerischen Biers

16 Heilige als Brauerschutzpatrone Dr. Carl Barth um 1860: "Eichstätter trinken Bier in Mengen"

25.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:55 Uhr

Wirtshausschild mit Zoiglstern.

Eichstätt (EK) Wenn die Anzahl der Schutzpatrone eines Berufsstandes ein Indiz für dessen Bedeutung ist, stehen die Bierbrauer an vorderster Stelle. Es gibt wohl kaum eine Branche, die so viele Schutzpatrone "beschäftigt", wie die Bierbrauer und Biertrinker.

Das ist vielleicht so zu erklären, dass durchaus ein ganzer Sud verderben kann und jemand, der "zu viel geladen hat", einen mächtigen Wegbegleiter zum heimischen Herd bitter nötig hat. In der einschlägigen Literatur finden sich 16 "große" Heilige, die Brauer-, Wirte- und Biertrinker-Patrone sind.

Neben dem sagenhaften weltlichen Schutzgeist Gambrinus sind es die Heiligen, die um Fürbitte angerufen werden. An ein paar von ihnen soll hier erinnert werden. Da ist der heilige Florian (4. Mai), der den Martyrertod erlitt und in den Fluss Enns gestürzt wurde. Beschützer der Braukunst ist auch der heilige Augustinus (28. August). Viele Augustinermönche stellten einst Bier her, und heute gibt es noch Augustiner-Brauereien. Der heilige Laurentius (10. August) wird mit den Elementen Feuer und Wasser in Verbindung gebracht, was auch für die Brauer gilt.

Der "Wetterheilige" Sankt Vitus (15. Juni) gehört zu den 14 Nothelfern. Der Legende nach wurde er in einen Kessel mit siedendem Öl geworfen, woraus er gerettet wurde. Der große Missionar der Germanen, Bonifatius (5. Juni), zählt auch zu den Patronen. Zum Schluss noch der heilige Magnus (6. September), der von den Hopfenbauern angerufen wird. An seinem Festtag beginnt das Hopfenzupfen.

Bier fördert die Geselligkeit und vor allem das gemeinsame Singen im Wirtshaus. Und es regt wohl auch zum Dichten an. Am 9. Mai 1867 hat ein ungenannter Autor im "Intelligenzblatt" eine Reihe "Schnadahüpfl" geschrieben und dabei auf die Bierqualität wie ein Rohrspatz geschimpft. Der letzte Vers: "Im Tal und Berg, wo ma's Stinkbacha schmeckt - San allemal drauf nauf alle Muck'n varreckt." - Jemand, der gern ins Wirtshaus geht, wird liebevoll "Bierdimpfl" genannt.

Eine Lanze für die gemütliche Wirtshaushockerei und das Trinken des nach dem Reinheitsgebot gebrauten Biers brach ein Artikelschreiber im "Intelligenzblatt" im September 1863. Das Kneipen sei, so ließ er wissen, ein Simultanforum für alle Stände, Parteien und Meinungen; ein Zügel, der den Staatsmann, den Gelehrten, den Künstler immer wieder zurückführe zum Volk und ins Leben. Es sei ein Korrektiv für alle Ofenhockergedanken und Professoreneinfälle. "Die interessanteste Seite des bayerischen Biers ist jedenfalls seine soziale Rolle." Ausländern falle am altbairischen Volksleben zumeist die vollkommene Mischung der Stände an öffentlichen Orten und bei den Festen auf.

Beim Thema "Bier und Kultur" darf das Schafkopfen nicht fehlen, das gern in Wirtshäusern gepflegt wird. Es ist gewiss eine geistige Leistung, sich bei jedem Spiel zu merken, welche Karten schon gefallen sind, wer als Nächster geben muss und obendrein die Augen zusammenzuzählen. Freilich gibt es Leute, denen das Karteln suspekt ist; die sagen zu den Karten "des Teufels Gebetbuch".

Ein altes Zunftzeichen der Brauer und Wirte ist der Zoiglstern mit seinen sechs Zacken. Er ist schon im Jahr 1425 nachgewiesen. Nach Mitteilung von Diplom-Braumeister Rudolf Emslander symbolisiert der Stern einerseits die Elemente Feuer, Wasser und Luft sowie andererseits die Zutaten Wasser, Malz und Hopfen. Zoigl- oder Brauersterne sind hauptsächlich in Süddeutschland gebraucht worden und finden sich heute noch in manchen Wirtshausschildern. Der Stern vor einem Wirtshaus bedeutet auch, dass frisch gebrautes Bier ausgeschenkt wird.

Mitte des 19. Jahrhunderts war jeder Gerichtsarzt verpflichtet, für die königliche Regierung eine umfangreiche Schilderung über Land und Leute zu schreiben. Der Pflicht kam auch der Arzt am Landgericht Eichstätt, Dr. Carl Barth, mit seinem Physikatsbericht nach. Für das Landgericht Kipfenberg schilderte Dr. Lorenz Beer die Situation. Carl Barth fasste zusammen: "Die Eichstätter bereiten ihre Kost altbairisch. Das gewöhnliche Getränk ist das Bier, das aber in ziemlicher Menge genossen wird. Lobenswert muss hervorgehoben werden, dass sowohl auf den Land als auch in der Stadt, der Genuss von Branntwein ein sehr spärlicher ist. Fleisch mit Sauerkraut wird allmählich die tägliche Kost."

Die Bedeutung eines Handwerkerstandes lässt sich daran ablesen, an welcher Stelle sie in der Eichstätter Fronleichnamsprozession gehen durften. In spätmittelalterlicher und späterer Zeit folgten den an erster Stelle schreitenden Webern und Färbern die Bierbrauer, Wein- und Bierschenken.