München
Die Odyssee im Kunstareal

Die Pinakothek der Moderne in München zeigt Arbeiten aus 25 Jahren von Jonathan Meese

20.11.2018 | Stand 23.09.2023, 5:02 Uhr
Joachim Goetz
  −Foto: Mirgeler/dpa, Jan Bauer Net Courtesy Jonathan Meese Com

München (DK) Sympathisch durchgeknallt kommt er mitten in seiner Ausstellung rüber, der Jonathan Meese, enfant terrible der zeitgenössischen Kunst in Deutschland.

Unter "Die Irrfahrten des Meese" zeigt die Münchner Pinakothek der Moderne 18 bislang von Meese zurückgehaltene großformatige Gemälde, 25 Raummodelle sowie etwa 75 Zeichnungen, Fotocollagen und Künstlerbücher. Außerdem als Video eine der ersten mitgeschnittenen Performances des inzwischen fast 50-jährigen (1970 in Tokio geborenen) Künstlers. Alles zusammen eine kleine Retrospektive aus 25 Schaffensjahren mit viel unbekanntem Material.

Der Titel stammt vom Künstler selbst, er fand ihn so wie viele andere Themen seiner Kunst: Am Abend vor dem Besuch der Kuratoren in seinem Atelier in Berlin hatte er den Film "Die Odysse" gesehen - und sich zum Titel inspirieren lassen. Messe sagt, er sei wieder schon einen Schritt weiter: "Es wird außerdem weitere Ausstellungen mit Titeln wie "Das Bildnis des Jonathan Meese", "Der Graf von Monte Meese", geben. " Selbstbewusst, selbstironisch, natürlich auch anderswo.

Meese genießt seinen Auftritt vor der Kunstpresse. Es sprudelt geradezu aus ihm heraus. Manchmal etwas wirr. Die Zusammenhänge lassen sich mitunter schwer erkennen. Aber das ist bei Irrfahrten nun halt mal so.

Im Zentrum des rechteckigen Ausstellungssaals, dessen Boden mit roten Farbschlieren überzogen ist, steht "Ziel". Damit ist freilich nicht die Eröffnung der Schau gemeint. Sondern das Ziel der Irrfahrt. Meese wird als eine Art moderner Odysseus präsentiert, der während seiner Reise mit unterschiedlichen Erfahrungen reich beschenkt wird. Um am Ende als ein anderer heimzukehren. Eigenhändig hat der Künstler den Ausstellungstitel auf die Wand gemalt und eine große Landkarte für den Teppichboden entworfen, auf dem die Ausstellung erkundet werden kann. Dabei hatte der Künstler, der an Gestaltung und Konzeption mitarbeitete, noch etwas anderes im Kopf: einen Vulkan, deshalb der rote Schlund auf dem Teppich und die überlaufenden Lavaströme. Weiter noch: Die Schöpfungen an den Wänden, die kleinformatigen Modelle, die Bücher - das alles hat's aus dem Vulkankrater sozusagen im Laufe der letzten Jahrzehnte herausgeschleudert.

Die Werke widerspiegeln den universalen Blick Meeses auf die Welt, auf Mythos, auf die Macht der Kunst: Hagen von Tronje taucht ebenso auf wie Richard Wagner, Nero, Atlantis oder Eldorado, wie Welt- und Trivialliteratur. Diesen spielerischen (wie auch polarisierenden) Umgang Meeses mit unserer Kultur kennt man.

Die Kuratoren Bernhart Schwenk und Swantje Grundler haben deshalb versucht, die lyrische Richtung zu zeigen, die nach ihren Aussagen schon immer in Meeses Werk nachzuweisen war.

Im zeitlichen Abstand werden Themen deutlich, die zentral für Meeses Gesamtwerk sind und schon in den frühen Arbeiten, etwa den kleinen noch im Studium angefertigten Modellen, vielschichtig angelegt sind: Gesten und Insignien der Macht gehören dazu, Krieger und Kriegerinnen, die Schurken der Märchen, die Schrecken im Kinderzimmer, die Ambivalenz des Bösen. Als Gegenentwurf dazu finden sich unerwartet sanfte Gestalten und Fantasiewesen. Etwa das unverbildete zarte Tierbaby, das ebenfalls im bildnerischen Kosmos Meeses auftaucht.

Meese sagt dazu, er wolle damit zeigen, dass wir immer auf der Suche nach einem Chef seien: "Meine Mutter ist der Chef, ihr Kuratoren seid - manchmal - der Chef. Manchmal bin auch ich selber der Chef - oder Atmung oder Schlaf. " Dieses Tier, das tief aus dem Ozean kommt, sei den Menschen überlegen. Weil es - wie jedes Tier - nicht ideologisch sei, keiner Religion angehört, nicht in die Vergangenheit schaut - sondern nur in die Zukunft. Der Mensch so Meese schaue viel zu oft zurück. Die Kunst aber, an die glaubt er, die könne helfen.

Pinakothek der Moderne, bis 3. März 2019, täglich außer Mo 10 bis 18 Uhr, Do bis 20 Uhr; Taschenbuch-Katalog, Verlag Koenig, 12,80 Euro.

Joachim Goetz