Ingolstadt
Die letzten Kräfte beim Volkssturm

24.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:23 Uhr

Ingolstadt/Baar (peh) Auf große Resonanz ist die DK-Serie über die Luftangriffe auf Ingolstadt gestoßen. Etliche Zeitzeugen haben sich gemeldet oder ihre Erinnerungen an die Redaktion geschickt. So wie Josef Köttner, der 1929 in Baar geboren wurde und mit einigen anderen in den letzten Kriegstagen noch zum Volkssturm in Ingolstadt einberufen wurde.

Hier ein Auszug seiner Schilderungen:

„Wir mussten uns in der Pionierkaserne melden. Ich war damals fünfzehneinhalb Jahre alt. . . Als Ausrüstung bekamen wir eine Stielhandgranate, einen ausgenackelten italienischen Karabiner und eine Panzerfaust. Vorweg aber war die Ausbildung unter Führung eines Feldwebels und eines Unteroffiziers. Er schikanierte uns bis zum Umfallen und bis zur völligen Erschöpfung. Am letzten Tag war Scharfschießen angesagt. . . Beim Abendessen ging aber das Gerücht um, die alliierten Panzerspitzen seien schon 30 Kilometer an Ingolstadt herangerückt. Wir sollten also Ingolstadt verteidigen. Mehr instinktiv als verstandesmäßig fassten wir den Entschluss, abzuhauen.“

Köttner fuhr noch am Abend mit dem Zug nach Hause, wo er sich drei Tage lang versteckte. Von hier aus beobachtete er, wie US-Flugzeuge die Pulverfabrik in Ebenhausen und den Bahnhof Reichertshofen bombardierten. Ein Bunker nach dem anderen explodierte. Als der letzte in die Luft flog, riss eine gewaltige Detonation ein Flugzeug hoch, das daraufhin abstürzte: Pilot Jack Sharp hatte das Pech gehabt, dass ausgerechnet in diesem Bunker Pulver für Artilleriekartuschen lagerte.

Die letzten Kriegstage in dem durch etliche Luftangriffe zerbombten Ingolstadt waren geprägt von einem nahezu permanenten Alarmzustand und ständigen Tieffliegerangriffen, die noch dutzende Menschenleben forderten, zumeist Zivilisten. Dies belegen viele Berichte von Zeitzeugen, wie etwa die mittlerweile 96-jährige Mutter des Ingolstädters Egmar Gäßler, die bei der Beerdigung seines Großvaters mit den anderen Trauergästen auf dem Weg vom Leichenschauhaus zum offenen Grab unter Beschuss genommen wurde. Nach den Erzählungen älterer Ingolstädter müssen die US-Piloten praktisch auf alles geschossen haben, was sich bewegte.