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"Auch Seehofer kann die Gesetze der Physik nicht außer Kraft setzen"

Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann über die Energiewende, das Gaskraftwerk Irsching und die Notwendigkeit von Stromtrassen

24.04.2015 | Stand 09.01.2019, 12:02 Uhr

Foto: Markus Meßner

München (DK) Im Gespräch mit unserer Zeitung unterhielt sich der Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann über die Energiewende, das Gaskraftwerk Irsching und die Notwendigkeit von Stromtrassen. Zudem tat er seine Meinung über den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer kund.

Herr Hartmann, Sie haben gerade das Gaskraftwerk in Irsching besichtigt, das als eines der modernsten gilt. Der Betreiber möchte es abschalten, weil es keinen Gewinn abwirft.

Ludwig Hartmann: Ich bin überzeugt, dass Irsching noch lange laufen wird. Denn wir brauchen schnell regelbare Kraftwerke, um die Schwankungen bei Wind- und Solarenergie ausgleichen zu können.

 

Da sind sie auf einer Linie mit Ministerpräsident Horst Seehofer. Die Politik muss Sorge tragen, dass Irsching am Netz bleibt.

Hartmann: Das haben wir ganz deutlich bei den Gesprächen in Irsching gesehen. Die Betreiber zahlen drauf. Also müssen wir die Rahmenbedingungen ändern: Wir brauchen einen Strommarkt, auf dem nicht nur Energie sondern auch Versorgungssicherheit gehandelt wird. Und diese Versorgungssicherheit können die modernen Gaskraftwerke bieten, bei einer vergleichsweise moderaten Umweltbelastung.

 

Eine solche klare Linie fehlt aber.

Hartmann: Das ist auch meine Kritik an der bayerischen Staatsregierung. Es gibt keine klare Linie, mal ist man dafür, mal dagegen. Ob es um Windkraft, Pumpspeicherkraftwerke oder Netzausbau geht. Aber ohne verlässliche Rahmenbedingungen geht es nicht. Das sieht man in Irsching ganz deutlich. Die ersten Diskussionen gab es 2012, seither hangelt man sich von einem Jahr zum nächsten. Das hat mit Verlässlichkeit nichts zu tun. So funktioniert Energiepolitik nicht.

 

Welche sind aus Sicht der Grünen die richtigen Schritte?

Hartmann: Da gibt es eine klare Abfolge. Wir schalten wie vereinbart zuerst die gefährlichsten Kraftwerke ab, die Atomkraftwerke. Dann folgen die dreckigsten: die Braunkohlekraftwerke. Dann die Steinkohlekraftwerke. Und erst am Schluss stehen die Gaskraftwerke. Und nicht andersherum. Da muss Politik regulierend eingreifen.

 

Was muss also Seehofer Ihrer Meinung nach tun?

Hartmann: Wir brauchen einen verbindlichen Fahrplan für einen Ausstieg aus der Braunkohle. Wenn Seehofer wirklich etwas für die bayerischen Gaskraftwerke tun will, ist es seine Pflicht, das in der Berliner Koalition durchzusetzen.

 

Zur Energiewende gehört auch die Verteilung des Stroms und damit das Thema Stromtrassen.

Hartmann: Man muss wissen, dass für eine Versorgung mit sauberer Energie, also aus Sonnen- und Windkraft, ein Ausbau der Stromtrassen unverzichtbar ist. Denn das Wetter ist regional unterschiedlich und damit schwankt die Energierzeugung. Wir haben das von Anfang an gesagt. Und ich bin fest überzeugt, dass sich Ehrlichkeit in der Politik letztlich auszahlt.

 

Aber Seehofer hat seine Politik nicht geschadet. In Umfragen liegt die CSU bei 48 Prozent.

Hartmann: Ich bin überzeugt, dass Seehofer seine Haltung bei den Stromtrassen auf die Füße fallen wird. Auch er kann die Gesetze der Physik nicht außer Kraft setzen. Wenn Bayern Strom benötigt, wird der durch die entsprechenden Leitungen fließen müssen.

 

Müssen es neue Stromtrassen sein?

Hartmann: Man kann bestimmte Stromleitungen aufrüsten. Aber völlig ohne Neubau wird es nicht gehen. Ein Beispiel ist das Atomkraftwerk im unterfränkischen Grafenrheinfeld. Eine der wichtigsten Versorgungsleitungen von dort führt in den Raum Nürnberg. Aber woher soll der Strom kommen, wenn das AKW abgeschaltet ist? Dafür brauchen wir leistungsfähige Windkraftadern aus dem Norden, damit der saubere Strom von dort kommen kann. Diese Leitungen kann man entlang von Autobahnen und Bahnlinien bauen und dort, wo es möglich ist, unter die Erde bringen. Man muss aber ehrlich sein: Sich wie Seehofer hinzustellen und zu sagen „das kommt so nicht“, ist unredlich.

 

Das Interview führte

Christian Fahn.