Oberstimm
Die letzte Runde im Karussell?

27.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:52 Uhr

Die Wilde Maus: Ein besonders beliebtes Fahrgeschäft auf dem Barthelmarkt, der heute beginnt. Strenge Auflagen und Kontrollen gewährleisten auch dort Sicherheit. Doch eine EU-Norm bereitet deutschen Schaustellern Probleme - Foto: Hauser

Oberstimm (DK) Auf dem Barthelmarkt geht es wieder vier Tage rund – auch auf den Karussells. Aber wie lange wird es noch Riesenrad oder Wellenflug geben? Eine Europäische Sicherheitsnorm sorgt für Wirbel unter den Schaustellern.

Eigentlich hatten die Betreiber der Fahrgeschäfte es begrüßt, dass die EU-Norm 13814 technische Standards europaweit einheitlich regelt und so verhindern soll, dass ausländische Schausteller den deutschen Kollegen mit weniger aufwendig geprüften Geschäften Konkurrenz machen. Der Haken: Anders als überall in Europa genießen alte Anlagen in Deutschland keinen Bestandsschutz. Droht damit Karussell-Klassikern das Aus?

Auch auf dem Barthelmarkt ist jeder der Schausteller, die unsere Zeitung befragte, nicht gut zu sprechen auf die Vorschriften. „Diese Norm trägt nicht zu mehr Sicherheit und zur Unfallverhütung bei“, sagt beispielsweise Mario Blume, Betreiber des Kettenkarussells Volare. „Unser Wellenflug ist erst sieben Jahre alt und sogar über die Norm stabil gebaut. Wir sind doch mit unseren Karussells verheiratet und der erste Garant für Sicherheit.“

Jedes Jahr findet eine TÜV-Abnahme statt. „Da hat ein Ingenieur zwei Tage lang zu tun, um die Statik, die tragenden Teile und jedes Kettenglied zu untersuchen“, so Blume. Alle vier Jahre erfolgt zudem eine aufwendige Sonderprüfung.

Seinen Wellenflug gemäß der EU-Norm 13814 umzurüsten sei nicht möglich, erklärt der Schausteller. „Man müsste ein ganz neues Karussell bauen, aber das wäre zu schwer und nicht mehr transportabel.“ Besonders ungerecht findet Blume es, dass in allen EU-Ländern Bestandsschutz gilt – und zwar ohne Auflagen. „Wir würden ja sogar kürzere Prüfungsintervalle akzeptieren.“ Noch mehr regt die Schausteller auf, dass Karussells in Freizeitparks von der EU-Norm befreit sind. Denn sie gelten nicht als sogenannte Fliegende Bauten wie Fahrgeschäfte, die von einem Volksfest zum nächsten reisen. Mario Blume weiß sich keinen Rat. „Dann stellen wir unsere Karussells halt ins Museum“, meint er. Sein Kollege Manfred Zehle denkt auch ans Aufhören: „Wenn sich nichts ändert in Sachen Bestandsschutz, dann stelle ich mein Karussell in die Ecke und setze mich zur Ruhe. Das war’s dann“, sagt der Besitzer des Top Spin. „Ich fürchte, die klassischen Fahrgeschäfte verschwinden – auch hier auf dem Barthelmarkt.“ Ein Umrüsten seines Top Spin käme nicht infrage: „Allein die Berechnung der Statik kostet etwa 100 000 Euro. Neu bauen wäre billiger. Aber das ist in der jetzigen Zeit nicht machbar.“ Für ihn ist die ganze Sache „reine Geschäftemacherei“.

Jürgen Wild vom Bayerischen Schausteller-Verband kennt die schlechte Stimmung unter den Mitgliedern: „Welche Bank finanziert noch ein neues Fahrgeschäft, wenn nicht sicher ist, ob es in zwei Jahren noch genehmigt wird? Viele Kollegen haben ihre Fahrgeschäfte schon ins Ausland verkauft.“ Alle Hoffnung ruht nun darauf, dass die Bundesländer einer Änderung der Musterbauordnung zustimmen und den Bestandsschutz übernehmen. Wild: „Bayern hat sich schon für uns entschieden.“

Ein Achterbahn-Betreiber ist gegen den TÜV Nord wegen der neuen Sicherheitsvorschriften vor Gericht gezogen und hatte Erfolg. Doch der TÜV Nord ist in Berufung gegangen. Jetzt soll er den Sicherheitsgewinn nachweisen. Das Urteil wird Signalwirkung haben. Das Verfahren zieht sich hin.