stadtgeflüster
Die Leiden des armen Schreibers

04.12.2020 | Stand 05.02.2021, 3:34 Uhr

"Hier ist Berlin!

" So begann sie, die Kultsendung am frühen Samstagabend in unserer Jugendzeit: Welcher Schlagerstar auf Platz eins der damals von Media Control ermittelten ZDF-Hitparade war, musste man einfach wissen, um in der Clique mitreden zu können. Fast noch mehr Kult als die Sendung selbst war der Moderator: Dieter Thomas Heck war von 1969 bis 1984 Mister Hitparade, ungeschlagen vor allem als Schnellredner beim Abspann, in dem er noch schneller herunterspulte, wer alles an der Sendung beteiligt war, als heute die armen Sprecher bei Gewinnspielen, deren Redeschwall schnell und unverständlich sein muss, damit man nicht mitbekommt, dass man im Fall des Falles doch nichts kriegt. Die Jüngeren unter uns sollten sich Hecks Hitparaden-Abspann unbedingt mal auf "You Tube" anschauen. Es lohnt sich.

Auch in der Politik gibt es immer wieder Menschen, deren Mundwerk so geschmiert läuft, dass man beim Zuhören - geschweige denn Mitschreiben - nicht mitkommt. Kulturreferent Gabriel Engert etwa haben wir nach dessen Einsatz auf einer Bürgerversammlung, über die wir vor langer Zeit berichtet hatten, eine Sehnenscheidenentzündung im rechten Handgelenk zu verdanken, die uns eine Woche lang schreibtechnisch lahmlegte.

Dabei sind wir eigentlich von Berufs wegen froh, wenn Sitzungen öffentlich sind und wir was zu Schreiben haben. Viel zu oft klagen wir über Zusammenkünfte unserer Lokalpolitiker hinter verschlossenen Türen - meist dann, wenn's besonders spannend wäre. Auch diese Woche wieder, als eine Aufsichtsratssitzung des Klinikums, die ja laut Ankündigung unseres neuen Oberbürgermeisters künftig zumindest stellenweise öffentlich sein sollten, erneut wie früher unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Aber das ist eine andere Geschichte.

Mitunter kommt es selbstredend vor, dass eine öffentliche Sitzung ungewollt zu einer nichtöffentlichen mutiert. So wie am Mittwoch im Krankenhauszweckverband. Nicht etwa, weil der Punkt, der gerade besprochen wurde, so brisant war, dass wir Medienvertreter rausgeschickt wurden, sondern, weil man schlicht und einfach kein Wort verstand. Nun ist die Akustik im Großen Sitzungssaal des Neuen Rathauses von Haus aus nicht die Beste, das sei Andreas Tiete, dem medizinischen Geschäftsführer des Ingolstädter Klinikums, zugute zu halten. Dass der Mann schnell spricht, ist eine Sache. Dass er undeutlich spricht, eine andere. Wenn dann aber auch noch der in diesen Zeiten obligatorische (und wichtige) Mund-Nasen-Schutz dazukommt, verwundert nicht, dass die eine oder andere Antwort Tietes auf Fragen von Sitzungsteilnehmern akustisch unterging. Die Diagnose ist gestellt. Wir würden dem Krankenhauschef zur Therapie ein wenig Sprecherziehung verordnen. Übrigens: Hitparaden-Moderator Dieter Thomas Heck redete viel schneller als Tiete. Aber ihn hat man verstanden.

rl