München
Die Legende lebt

Das Alvin Ailey American Dance Theater gastiert im Deutschen Theater München

04.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:23 Uhr

Perfekte Harmonie: Szene aus dem Tanzabend des Alvin Ailey Ensemble im Münchner Deutschen Theater. - Foto: Eccles

München (DK) Die Neue Sachlichkeit, die längst nicht mehr ganz taufrisch ist, oder der Jugendstil, der Uromas Kindheit geziert haben mag, haben es erwiesen: Es ist so störend wie verwirrend, wenn eine Kunstströmung die reißerische Vokabel des „Neuen“ im Namen trägt und dann in die Jahre kommt. Ähnlich geht es dem „Modern Dance“, dessen Pionierinnen Isadora Duncan oder Loie Fuller schon über achtzig Jahre lang tot sind.

Im Deutschen hat sich sinnvollerweise die Bezeichnung „Ausdruckstanz“ durchgesetzt für eine pluralistische Kunstrichtung, die sich historisch einerseits vom klassischen Ballett, andererseits vom Jazztanz absetzt, die viele Gesichter trägt und sich kaskadenartig in viele Richtungen weiterentwickelt hat.

An diesem Abend im Deutschen Theater, wenn die New Yorker Alvin Ailey American Dance Theater Gruppe das erste ihrer beiden Gastspiele vorstellt, findet ein kleiner, zwangloser Spaziergang durch fünfzig Jahre Tanzgeschichte statt und legt aufs Schönste Rechenschaft darüber ab, wie sich Kunst durch die Ausübenden immer wieder magisch verjüngt.

Zwei Gastspiele haben die Amerikaner mit im Gepäck, wenn sie auf ihrer Europatour München ansteuern. Ihr Namensgeber, der charismatische Alvin Ailey (1931–1989), der mit seiner Compagnie gleichermaßen das Erbe des American Modern Dance bewahren wollte, wie er seinen Wurzeln in der afroamerikanischen Kultur nachspürte, hatte den fulminanten Aufstieg seiner Compagnie noch miterleben können.

Beginnend mit „Grace“ aus dem Jahr 1999, die der Choreograf Ronald K. Brown als Quintessenz des modern aufgefassten Ailey-Standards erschuf, wird schon der zweite Teil, „Home“ (aus dem Jahr 2011) euphorisch beklatscht: Die Münchner lieben diese Reflexion auf das Schlagen eines Herzens, getanzt zu einer rauschigen, hallenden Toncollage, die mit viel Beinarbeit und weichem Hüftschwung Elemente aus Discotanz, Aerobic oder Breakdance spielerisch aufnimmt. Durch begeisterte Zwischenklatscher und Blicke des Ensembles entsteht dabei sogar ein kleiner magischer Moment zwischen Bühne und Saal. Auch das kraftvolle, expressive Solo des Tänzers Marcus Jarrell Willis „IN/SIDE“ (eine Choreografie des derzeitigen Ensemblechefs Robert Battle) zu einem Love Song, bei welchem die langsame Musik den schnellen Schrauben, Drehungen und Sprüngen des Tänzers ein Gegengewicht setzt, wird stark applaudiert.

Der dritte Block des Abends, bringt dann die Einlösung des Erwarteten: Gegenwart trifft Ballettgeschichte, die Tänzer führen mit „Relevations“ in der Originalchoreografie ihres Namensgebers dessen bekanntestes Stück auf.

Die Uraufführung im Jahr 1960 hatte lange vor der Geburt der heutigen Tänzer stattgefunden – und entsprechend sind einige zart vergilbende Momente zu sehen: Gegliedert durch kurze, von Songs begrenzte Sequenzen, findet sich hier eine ausstattungsselige Detailverliebtheit, klassischer Ensemble-Paartanz und ein illustratives Bebildern, das ein wenig mit dem Rest des Abends fremdelt. Und doch erkennt man genau hier, woher der Geist der Compagnie sich speist: Die perfekte Harmonie und fließende Leichtigkeit bei „I Wanna Be Ready“; die kraftvolle, betont gegen die Harmonik des Songs getanzte Männerstudie in „The Day is Past and Gone“ – hier sind die Wurzeln dessen, was das Alvin Ailey Ensemble heute darstellt. 25 Jahre nach seinem frühen Aids-Tod ist Aileys Geist quicklebendig.

Das Deutsche Theater zeigt das Programm bis 10. August. Gespielt wird täglich Dienstag bis Sonntag um 20 Uhr, am Samstagnachmittag gibt es eine Zusatzvorstellung um 14.30 Uhr.