Ingolstadt
Die Ingolstädter Fotografin Germaine Nassal reiste mit dem Schiff durch die Arktis

11.10.2019 | Stand 23.09.2023, 8:57 Uhr
Sabine Kaczynski
"Auch die Eisbären so unmittelbar zu erleben, war wirklich unbeschreiblich": Die Tiere haben mit dem Klimawandel und den deshalb schwindenden Eismengen zu kämpfen. −Foto: Nassal, Kaczynski

Ingolstadt (DK) Die 30-jährige Ingolstädter Fotografin Germaine Nassal hat eine ganz besondere Kreuzfahrt erlebt: Sie fuhr mit dem Schiff durch die Arktis und fing mit ihrer Kamera Natur und Tierwelt ein.

Dabei sind eindrucksvolle Bilder entstanden.

Angefangen hat alles mit der Reiseplanung einer guten Bekannten, die als Urlaubsziel die Arktis hatte und Germaine Nassal fragte, ob sie nicht Lust hätte, sie zu begleiten. "Ich habe mich gefragt: Wann kommt man schon mal in die Arktis - und habe zugesagt", erinnert sich die Fotografin. "Denn es war eine einmalige Chance, so etwas zu sehen. " Gesagt, getan. Die beiden Frauen buchten eine Expeditionskreuzfahrt Richtung Nordpol - was gar nicht so einfach ist, denn nur wenige Schiffe haben einen derart geringen Emissionswert, dass sie diese Route überhaupt fahren dürfen. Auch eine gewisse Eisklasse muss gewährleistet sein, damit das Schiff gefahrlos durch das Packeis navigieren kann. Begleitet werden solche Expeditionskreuzfahrten immer von mehreren Experten, ein Labor gehört ebenfalls zur Schiffausstattung. So waren bei dieser Tour Biologen, Geologen, Eisexperten und andere Fachleute mit an Bord. "Sie nahmen beispielsweise Gesteinsproben, die dann gleich vor Ort untersucht wurden. Aber auch sogenannte Bärenwächter haben uns begleitet", erzählt Germaine Nassal. "Sie sorgten dafür, dass weder den Urlaubern noch den Eisbären etwas passiert. "

Ausgangspunkt der Reise war Kangerlussuaq in Grönland, wo die Fotografin von milden Temperaturen um 20 Grad überrascht wurde. Hier stiegen die Passagiere vom Flugzeug um aufs Schiff. Danach schipperten sie die Westküste Grönlands hoch, von dort ging es weiter nach Baffin Island in Kanada und noch weiter Richtung Norden.

Eine genaue Routenplanung gab es dort aber nicht mehr, weil eine Weiterfahrt jeweils von der gegebenen Eislage abhängig ist, die sich täglich ändert. "Der nördlichste Punkt, den wir erreicht haben, war die Hansinsel", verrät die 30-Jährige. "Tatsächlich ist nicht geklärt, ob sie zu Dänemark oder Kanada gehört. "

Auf dem Rückweg machte den Kreuzfahrern ein heftiger Sturm einen Strich durch den Kurs - zwei Tage Aufenthalt in Kanada waren die Folge, bevor es nach insgesamt knapp drei Wochen wieder zurück in die Heimat ging. "Trotzdem hatten wir mit dem beständigen, recht sonnigen Wetter Glück", so Germaine Nassal, die diese ungewöhnliche Reise tief beeindruckt hat: "Die Dimensionen sind einfach gigantisch, man sieht dort noch so viel unberührte Natur. In Grönland gibt es nur sehr wenige Siedlungen mit wenigen Menschen, weil die Bedingungen einfach so lebensfeindlich sind", beschreibt die Ingolstädterin, die vor Reiseantritt keine wirkliche Vorstellung von der Arktis hatte. "Auch die Eisbären so unmittelbar zu erleben, war wirklich unbeschreiblich. Im Packeis sind wir den Tieren zwar nie so nahegekommen, dass Gefahr bestand oder wir sie gestört hätten. Darauf wurde großen Wert gelegt, und das fand ich auch sehr wichtig. Doch an Land weiß man nie ganz genau, wo sich die Raubtiere gerade aufhalten und es hätte trotz der Bärenwächter durchaus gefährlich werden können. "

Überhaupt hat sie die Tierwelt fasziniert, auch wenn sie nicht so artenreich ist wie in der Antarktis: "Wir haben Grönland-, Buckel- und Blauwale gesehen, dazu Polarfüchse, jede Menge Robben und natürlich auch verschiedene Vögel", sagt die Fotografin, die die tierischen Motive natürlich mit der Kamera eingefangen hat.

Genauso wie die Natur und die Eiswelt, die ihr geradezu surreal erschien: "Es war, als würde man durch den Himmel fahren. Auch die Lichtstimmung ist in der Arktis komplett anders als bei uns", berichtet die Ingolstädterin, die auch von der Vegetation überrascht war: "Man sieht nicht nur Schnee und Eis, wie man sich das immer vorstellt. Es gibt auch viele Flechten und Moose, sogar Bäume, die aber nicht in die Höhe, sondern eher horizontal wachsen. Es ist faszinierend, wie sich die Natur ihren Weg sucht, vor allem wenn man bedenkt, dass sich darunter eineinhalb Meter Permafrostboden befindet", staunt Gemaine Nassal noch immer. "Die Landschaft erinnerte mich an die Herr-der-Ringe-Trilogie, sehr beeindruckt hat mich dabei, dass man wirklich weit und breit auf keine Menschenseele trifft. Die Natur ist vollkommen ursprünglich und die Tiere erlebt man in ihrer natürlichen Umgebung", beschreibt die Fotografin die Faszination der Arktis.

Doch es gab durchaus Momente, die die junge Frau mehr als nachdenklich stimmten: "Auf einer Insel, deren Strände kilometerweit menschenleer waren, sind regelrechte Müllberge angeschwemmt worden. Das hat uns alle sehr betroffen gemacht und für diese Thematik noch mehr sensibilisiert. Daher haben sich die Passagiere spontan entschlossen, den Abfall einzusammeln und zu beseitigen", meint die 30-Jährige rückblickend.

Auch schmelzende oder schon verschwundene Gletscher führten der Ingolstädterin die Folgen des Klimawandels mehr als deutlich vor Augen. "Zudem sorgten die täglichen Vorträge der anwesenden Experten dafür, dass man wirklich etwas von der Reise mitnehmen konnte", erklärt Germaine Nassal, die alle angebotenen Landgänge und Ausflüge mitmachte.

Dabei erlebte sie auch eine weitere Situation, die sie sehr traurig machte: "Wir sahen einen Eisbär auf einer Insel, der quasi die letzte Eisscholle verpasst hat. Es war für ihn in diesem Moment nicht mehr möglich, an seine Hauptnahrungsquelle, die Robben, heranzukommen. Je mehr Eis verschwindet, umso schwieriger wird es für die Eisbären zu jagen. Diese Szene war für uns alle sehr eindrücklich", so Germaine Nassal, die sich für die Gesellschaft daher mehr Weitblick wünscht. "Wir allein haben die Verantwortung für diese Natur! ", mahnt die Fotografin, die nun von einer Reise zur Antarktis träumt.

Germaine Nassals beeindruckende Bilder aus der Arktis kann man auf ihrem Instagram-Account unter germaine_nassal komplett ansehen.

Sabine Kaczynski