München
Die große Verzuckung

Die britischen Rave-Punk-Legenden von The Prodigy bringen mit Big Beats das Münchner Zenith zum Vibrieren

29.11.2018 | Stand 23.09.2023, 5:15 Uhr
Beat- und Beleuchtungsspektakel: Keith Flint (links) und Maxim Reality liefern harten Techno-Punk im Zenith. −Foto: Prager

München (DK) Vor noch nicht ganz einem Jahr war das Zenith in München-Freimann komplett ausverkauft, und auch heute strömen Tausende zur Show von The Prodigy.

Es sind zwar ein paar Electro-Fans weniger als letztes Mal, und es ist noch etwas Platz, der kurzerhand zum Tanzen genutzt wird.

Zum Sound des Opening Acts Slaves ist das eher nicht der Fall und nur bedingt möglich, animiert das UK-Duo aus Kent mit seinem sperrigen und rumpeligen Punk kaum zur rhythmischen Bewegung. Nur mit Schlagzeug und Gitarre geben sich die Zwei zwar redlich Mühe, aber ihr Gegröle und Geschrammel bringen Slaves nur Achtungsapplaus und wenige Sympathiepunkte.

Ganz anders nach einer 40-minütigen Umbaupause. Statt Punk steht nun Electro-Punk mit The Prodigy an, und der ist nach wie vor beeindruckend. "Brutal laut", wie ein Security-Mitarbeiter es vor der Halle bereits angekündigt hatte, geht es mit "Breathe" aus dem Erfolgsalbum "The Fat Of The Land" aus dem Jahr 1997 spektakulär los. Wie vor einem Jahr ist die Szenerie bis unter die Hallendecke mit Scheinwerfern und Lichtröhren vollgepackt. Es blinkt, gleißt und blendet zu den Big Beats auf der Bühne, und die Sinne werden auf eine harte Probe gestellt. Umso mehr als die Clubsound-Cracks aus England die Grenzen vom Techno und Trance auch gerne mal hin zum Hardcore überschreiten. Gelegentlich bricht dabei die neben den Drums live gespielte Gitarre durch, aber meist gibt Mastermind Liam Howlett an seinem Pult und den Tasten den Ton vor.

Für die Animationen ist wie gewohnt Maxim Reality zuständig, während Keith Flint eher tänzerisch agiert. Die Kombination aus Shouts, harten Rhythmen, mächtigen Beats und noch mächtigeren Licht- und Stroboskop-Effekten bringt die Fans in Verzückung und zum Zucken.

Gleich sechs Titel aus dem neuen Album "No Tourists" bewegen und begeistern die Massen, ebenso wie die Publikumslieblinge "Voodoo People" und "Firestarter". Die Front eines Retro-Doppeldecker-Buses vom "No Tourists"-Cover ist gleichzeitig Bühnen- und Beleuchtungsbestandteil der Show, geht aber im gigantischen Schein der übrigen Elemente meist etwas unter.

Auch die Band ist bei all den Blitzen und Strahlen manchmal nur schwer auszumachen. Dafür aber umso mehr zu hören und zu fühlen, der druckvolle Sound geht ziemlich in die Eingeweide. Die Kommunikation mit dem Publikum beschränkt sich mit aufpeitschenden Slogans auf ein Minimum, aber der (elektrische) Draht zu The Prodigy ist definitiv vorhanden. Auch als der Kracher, im wahrsten Sinne des Wortes, "Smack My Bitch Up" die Zugaben einleitet. Dann geht es allerdings etwas schnell, und nach einer Diffusion aus "Fire" und anderen erschallt "Out Of Space" nur noch als Outro vom Band.

Der verspätete Anfang wird nicht etwa durch längere Spielzeit nach hinten raus ausgeglichen, sondern es ist wie geplant pünktlich Schluss. Das sorgt zwar für leichte Verwirrung, aber bei einigen auch für eine gewisse Erleichterung, dass das bombastische Beat- und Beleuchtungsspektakel vorüber ist und sich Augen und Ohren wieder entspannen können.

Martin Buchenberger