Ingolstadt
Mitreißende Präzision und Klangfülle

Das Musikkorps der Bundeswehr gibt ein umjubeltes Benefizkonzert im Ingolstädter Festsaal

29.11.2018 | Stand 23.09.2023, 5:15 Uhr
Einen Scheck in Höhe von 13300 Euro zugunsten der Lebenshilfe nahm der Ingolstädter Alt-Oberbürgermeister Alfred Lehmann (2. von rechts) entgegen. −Foto: Weinretter

Ingolstadt (DK) Sein Ruf eilt ihm voraus: Wie erhofft war das alljährliche Benefizkonzert zugunsten der DONAUKURIER-Aktion "Vorweihnacht der guten Herzen" des Ausbildungszentrums Pioniere und der Stadt Ingolstadt auch beim 46. Mal ausverkauft.

Kein Wunder - denn das Bundeswehr-Musikkorps aus Siegburg, dem nur die besten Instrumentalisten der deutschen Streitkräfte angehören, ist unter seinem Dirigenten Oberstleutnant Christoph Scheibling Garant für anspruchsvolle konzertante Unterhaltung auf höchstem künstlerischen Niveau. "Mit Blick auf das Preis-Leistungsverhältnis sind wir unschlagbar", wie General Lutz Niemann, Kommandeur des Ausbildungszentrums Pioniere, bei seiner Begrüßung betont.

In mittlerweile bereits traditioneller Manier heißen die exzellenten Militärmusiker heuer ihr Publikum mit dem sogenannten "Taxis-Marsch" willkommen, ein Paradebeispiel des bayerischen, typisch deftigen Armeemarsches. Damit geben sie gleichzeitig eine schmissige Live-Kostprobe aus der soeben erschienenen zweiten Ausgabe der CD-Reihe "Deutsche Armeemärsche", die von einer lebendigen Spielfreude, einer dynamisch perfekten Klangbalance, einer detailgetreuen Ausdeutung wie auch von den exakt austarierten Tempowechseln lebt. Zusätzliche Noblesse verleihen dem metrisch akzentuierten Stück die majestätisch verstärkenden Fanfaren. Auch der "Bayerische Defiliermarsch" gehört selbstredend zum Standardrepertoire, zum "täglichen Brot" des Bundeswehr-Musikkorps. Ihn hat das Spitzenorchester im Zuge der Aufnahmen ebenfalls neu entdeckt, spielt ihn mitreißend effektvoll in einer ganz eigenen, um eine sogenannte Schau-Pauken-Stimme ergänzten Fassung. So eröffnet es mit dieser spannenden Referenzdarbietung überraschende Hörspektren, einen bisher völlig unbekannten Zugang zu dieser heute eher in gesellschaftlichem denn in militärischem Sinne bedeutenden Musizierweise.

Als sinfonisches Glanzstück für die Blasorchester-Szene gilt Gustav Holsts "Second Suite for Military Band". Wie so oft bedient sich der Komponist hier ausgiebig mehrerer britischer Volkslieder, die er in jeden seiner vier Sätze prägend integriert. Das bekannteste daraus offenbart sich allerdings erst zum Schluss anhand des gerade zur Advents- und Weihnachtszeit gerne zitierten "Greensleeves". Wie geschaffen ist das vielschichtige Werk für das Musikkorps, um seine erstaunliche Wandlungsfähigkeit zwischen filigraner Anmut und gloriosem Pomp, zwischen zurückgenommener Transparenz und intonierendem Glanz vor Augen und Ohren zu führen.

Demgegenüber ist Tschaikowskis "Festouvertüre 1812" laut Orchesterleiter Scheibling ein klassisches musikalisches Schlachtengemälde, meine Art Battaglia höchsten Ranges. Eindrucksvoll angereichert mit einem russisch-orthodoxen Eingangschoral, in dem die Musiker als russische Truppen um Zusammenhalt, Zuversicht, Hoffnung und Kraft für die Wirren der Unruhen flehen, erst düster-verhalten, dann immer weiter gen Himmel emporsteigend. Regelrecht programmatisch-plakativ entspinnen sich die militärischen Signale und Motive, der Kampf mit Kanonendonner an der großen Trommel, die Marseillaise als Symbol der anfänglichen Kampferfolge der Franzosen, die jedoch zunehmend im Keim erstickt wird. Der Sieg Russlands bricht sich durch national-folkloristisches Kolorit, durch beschwingte Melodien Bahn, die immer kräftiger pulsieren und schließlich unter Glockengeläut in der triumphalen Zarenhymne gipfeln. Phänomenal hat Musikkorps-Klarinettist und Stabsfeldwebel Guido Rennert daraus eine packende Bläseradaption arrangiert. Eine wahre Meisterleistung, ein schierer Kraftakt von allen Beteiligten!

Mit der strahlend-festlichen "Liberty Fanfare" von John Williams, die erstmals 1986 anlässlich der Wiedereinweihung der Freiheitsstatue erklang, setzt das Eliteorchester abermals einen opulenten akustischen Meilenstein, verleiht dem Abend eine Tongebung edler Brillanz.

Eine stil- und formvollendete Fusion aus Filmmusik und Musical vollführt das rund 60-köpfige Ensemble mit dem Medley "Hollywood meets Broadway", sozusagen ein Ping-Pong-Spiel zwischen Amerikas Ost- und Westküste, dessen Attribute das Orchester in seiner ganzen Strahlkraft perfekt in Szene setzt. Diesmal rücken zu Filmhits aus "Robin Hood", "Rocky", oder zum Titelsong des Musicals "Cabaret" sogar einige Instrumente solistisch in den Vordergrund. So etwa die große, bedeutungsschwangere Kontrabass-Klarinette, die mit ihrem substanzreichen, tiefen Register inbrünstig das Ol'-Man-River-Thema aufgreift. Mehr tonale Zartheit und die korrespondierende weibliche Komponente bietet hingegen die warm timbrierte, sonore Altflöte, um die Farben der elegischen Gesangsvokalisen aus dem Western-Klassiker "Once Upon A Time In The West" gefühlvoll nachzuzeichnen.

Der offizielle Teil endet mit "Spirit of Scotland", einer schillernden Hommage an das nördlichste Land Großbritanniens und seinen spezifischen Dudelsack-Sound. Auch hier hat Orchestermitglied Guido Rennert mit seinem fantastischen Arrangement ganze Arbeit geleistet: Durch seine raffiniert imitierende Instrumentation kommt der gesamte Orchesterapparat dem wirkungsvoll von Trommelwirbeln untermalten Klangcharakter dieser traditionsreichen Sackpfeife verblüffend nahe. "Nur noch schöner", wie nicht nur Dirigent Scheibling augenzwinkernd findet. In kontrastreichem Gegensatz steht die lyrisch-idyllische, verträumte Einleitung zu "Scotland The Brave", der heimlichen schottischen Nationalhymne. Die Reise durch die mannigfaltig wehmütige bis tänzerische Folklore wird von den unterschiedlichsten Solopassagen durchzogen, bei denen man sich in die grünen Hügel der Highlands entführt wähnt - ehe sie in das altbekannte, berührende geistliche Lied "Amazing Grace" mündet. Dabei kann das Musikkorps noch einmal alle Register seiner interpretatorischen Vielfalt und Bandbreite, seiner enormen rhythmischen Präzision und seiner alles überstrahlenden harmonischen Klangfülle ziehen, so dass es unter Beifallsstürmen nicht ohne drei Zugaben von der Bühne gelassen wird. Obligatorisch ertönen natürlich die Bayern- sowie die Nationalhymne, in die das sich erhebende Auditorium fleißig einstimmt.
 

Heike Haberl