Waldkraiburg (DK) Die höchste Drehleiter, die je in Deutschland gebaut wurde, lässt sich 50 Meter hoch ausfahren. Heute steht sie im Bayerischen Feuerwehrmuseum in Waldkraiburg (Landkreis Mühldorf am Inn). Sie stammt aus Luxemburg und wurde nur für einen einzigen Zweck hergestellt: Falls es im größten Verwaltungsgebäude des kleinen Landes irgendwann einmal gebrannt hätte, wäre sie zum Einsatz gekommen. Dieser Tag kam nie. Mit dem Fahrzeug wurden zwar Übungen durchgeführt, bei Notrufen durfte es aber nicht ausrücken – denn es hätte ja sein können, dass im Falle des Falles die dringend benötigte Drehleiter gerade woanders unterwegs ist. Aus Altersgründen wurde das unbenutzte Fahrzeug nach 17 Jahren ausgemustert.
„Das ist noch relativ jung“, erklärt Harald Stanko, der durch die Ausstellungsräume führt. „Andere Fahrzeuge werden 20 bis 30 Jahre lang eingesetzt.“ Aber bei einem so wichtigen Feuerwehrauto wie diesem gehe man lieber auf Nummer sicher. „50 Meter sind übrigens ganz schön hoch“, berichtet Stanko, der auch schon ganz oben auf der Leiter stand. „Da werden die Knöchel weiß.“ Denn selbst gestandene Feuerwehrler klammern sich bei so einer Höhe an der Halterung fest, schließlich sind die meisten nur die üblichen 30 Meter gewohnt.
Es sind Anekdoten wie diese, die auch das Interesse von Besuchern wecken, die mit Feuerwehr-Historie ansonsten weniger am Hut haben. Das weiß Stanko. Der Initiator des Ende Juni eröffneten Museums holte für sich und seine sechs Kollegen sogar die Ratschläge eines Pädagogen ein, damit sich bei den zweistündigen Führungen auch wirklich niemand langweilt. Viele Familien, Schulklassen und Vereine waren bereits da – darunter auch mehrere Freiwillige Feuerwehren. Die bekommen aber eine Expertenführung.
Neben dem Deutschen Feuerwehrmuseum in Fulda und dem Internationalen Feuerwehrmuseum in Schwerin gehört das Bayerische Feuerwehrmuseum zu den drei führenden seiner Art in Deutschland, wie Stanko sagt. 115 Fahrzeuge und 5000 Einzelexponate kann man dort besichtigen. Ausgestellt werden die guten Stücke derzeit auf einer rund 4500 Quadratmeter großen Fläche, das Gebäude war vorher ein Baumarkt. Hinzu kommen nächstes Jahr noch weitere 3000 Quadratmeter: Der Supermarkt nebenan steht leer. Und das bedeutet Platz für eine Cafeteria, einen Laden sowie Schulungsräume. Ein Verbindungsbau soll die Besucher auch bei Regen trocken von einem ins andere Gebäude bringen.
Jetzt ist Harald Stanko aber erst einmal froh, dass die Eröffnung des Museums so gut geklappt hat. Eineinhalb Jahre haben die Vorbereitungen gedauert, die Idee dafür existiert bereits seit zwölf Jahren. Im Hintergrund des Museums steht der Verein „Historische Magirus Feuerwehrtechnik“, der momentan 64 Mitglieder hat: Feuerwehrleute, Mitarbeiter des Roten Kreuzes, Oldtimer-Interessierte und „einfach nur Menschen, denen es Spaß macht, an alten Fahrzeugen herumzuschrauben“, wie Stanko sagt.
Er hat den Verein 1999 zusammen mit seinem Freund Fritz Habenicht gegründet, um historische Feuerwehrfahrzeuge zu erhalten, die ansonsten verschrottet worden wären. Konzentriert haben sich die beiden dabei auf die Firma Magirus, die heute vor allem unter dem späteren Namen Iveco bekannt ist, und Brandschutztechnik herstellt. „Magirus gehörte zu den Hauptentwicklern von Feuerwehrfahrzeugen“, erklärt Stanko. Auch bei der Berufsfeuerwehr in München spielt die Marke seit jeher eine große Rolle. Ein Glücksfall also, dass die beiden Vereinsgründer deren früheren Amtsleiter Karl Seegerer kennenlernten: Der Oberbranddirektor besaß selbst eine Sammlung von alten Feuerwehrfahrzeugen und war schon länger auf der Suche nach einem geeigneten Museum dafür.
So lieferte Seegerer laut Stanko nun „die alten Kutschen, und wir die ab den 60er Jahren.“ Hinzu kamen jede Menge Leihgaben von Freiwilligen Feuerwehren aus ganz Bayern, vom Technischen Hilfswerk (THW), vom Rettungsdienst und von der Polizei. Deshalb sind im Museum neben den Fahrzeugen auch Schutzhelme und Uniformen aus verschiedenen Ländern und Jahrzehnten zu sehen, diverse Schläuche, hydraulische Geräte, Funkgeräte, Blaulichter, Martinshörner, und sogar eine Atemschutzwerkstatt. Am Ein- und Ausgang finden sich zudem noch detailgetreue und liebevoll gestaltete Modelle, die unterschiedliche Feuerwehreinsätze darstellen.
Der eigentliche Rundgang beginnt im Jahr 1880 bei den Handdruckspritzen. Vorbei an den von Pferden gezogenen Kraftspritzen geht es weiter durch die gesamte technische Entwicklung der Feuerlösch- und Rettungstechnik bis hin zu den modernen Fahrzeugen von heute. Die alten Geräte und Autos sind restauriert und so blitzblank, als wären sie noch nie benutzt worden. Der Eindruck täuscht. „Sie waren nicht nur alle im Einsatz – die meisten funktionieren auch heute noch einwandfrei“, schwört Stanko.
Je nach Zeit und Anforderung unterscheiden sich die Ausstellungsstücke in Größe, Form und sogar Farbe – rot war die Feuerwehr nämlich nicht immer. Während des Zweiten Weltkriegs etwa gab es auch Autos und Utensilien in Dunkelgrün: Ein Teil der Feuerwehr war nämlich der Polizei unterstellt. Vor einem Löschgruppenfahrzeug von 1939 steht eine langbeinige Schaufensterpuppe mit rot geschminktem Mund. „Deutschlandweit gab es damals 250 000 Feuerwehr-Frauen“, erklärt Stanko. „Die Männer mussten in den Krieg. Frauen bei der Feuerwehr sind also keine Erfindung der Neuzeit.“ So weiblich wie in diesen Jahren war die Feuerwehr in ihrer Geschichte später aber nie wieder.
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