Neuburg
"Die Bundeswehr hat dazugelernt"

Nina Dietz ist die einzige Frau Major im Dienst des Neuburger Geschwaders - Ein Erfahrungsbericht

27.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:23 Uhr
Katrin Kretzmann
Behält im Tower den Überblick: Major Nina Dietz. Seit 2018 ist die Gersthofenerin Teil des Neuburger Geschwaders und hat die Verantwortung über die gesamte Flugsicherung. −Foto: Kretzmann

Neuburg - Die ständige Versetzbarkeit, Auslandseinsätze und im Ernstfall das eigene Leben aufs Spiel setzen: All diese Dinge standen bei Nina Dietz auf der Contra-Liste, als sie überlegte, zur Bundeswehr zu gehen.

Das war 2004. Heute ist die 37-Jährige als Major in der Flugsicherung des Neuburger Luftwaffengeschwaders tätig - und damit dort die einzige Frau mit diesem Dienstgrad in der Truppe. Mittlerweile kann die Gersthofenerin sagen: "Ich habe es nie bereut, diesen Weg eingeschlagen zu haben. "

Ihre ersten Berührungspunkte mit dem Militär hatte Dietz über ihre Brüder. "Beide sind beim Bund und ohne sie hätte ich mich nie mit der Thematik auseinandergesetzt. " Die Erfahrungsberichte ihrer Geschwister hätten ihr gezeigt, dass die Bundeswehr gar kein so schlechter Arbeitgeber sein könne. "Als ich 2001 mein Abitur gemacht und zu meiner Mama gesagt habe, dass ich auch zum Bund gehe, meinte sie nur: ,Oh Gott, das dritte Kind jetzt auch und dann noch das Mädchen'", erzählt die Soldatin und lacht.

Zunächst ging es für Dietz aber zum Studieren an die Deutsche Sporthochschule in Köln. "Ich wollte erst einmal weit weg, etwas machen, das mir Spaß macht und das war eben Sport", erzählt sie. "Als mich ein Dozent dort fragte, warum ich denn nicht bei der Bundeswehr Sportwissenschaften studiere, fing ich an, zu überlegen. " Die Pro- und Contra-Liste folgte und am Ende überwogen für die Schwäbin die positiven Aspekte - wobei auch das Finanzielle eine Rolle spielte.

"Da die Bundeswehr die Kosten übernimmt, kann man einfach viel freier und ohne Geldsorgen studieren - und obwohl ich einen Nebenjob hatte, war Köln so unfassbar teuer als Student. " Dietz bewarb sich und wurde genommen. Nach der Grundausbildung in Bayreuth, der Offizierschule in Fürstenfeldbruck, Stationen in Lagerlechfeld und Köln sowie ihrem Studium an der Universität der Bundeswehr in München kam sie vor gut eineinhalb Jahren zum Neuburger Geschwader. Dort ist ihr die Flugsicherung mit 28 Fluglotsen sowie derzeit sechs Flugberatern unterstellt - und der Aufgabenbereich von Dietz ist vielfältig.

"Grundsätzlich führe ich mein Personal im Fachbereich, bin also auch für die komplette Ausbildung meiner Leute verantwortlich", erklärt die Soldatin, deren Mann ebenfalls bei der Bundeswehr arbeitet. Neben der Koordination des eigenen mit anderen Lufträumen, beispielsweise mit dem Militärflugplatz in Manching, ist Dietz auch dafür verantwortlich, Unregelmäßigkeiten im Flug- sowie Luftverkehr zu überprüfen. "Klassisches Negativbeispiel ist eine Drohne, für die keine Freigabe geholt wurde. " Würde es hier zu einem Zusammenstoß, beispielsweise mit einem Hubschrauber kommen, "dann läuft das über meinen Schreibtisch" - ebenso wie ein Thema, das besonders die Menschen im Einzugsgebiet rund um den Neuburger Flugplatz immer wieder zur Weißglut treibt: der Fluglärm. "Ich bin dafür zuständig, die Daten zu erheben, also beispielsweise wie viele Anflüge es in der Mittagspause oder nachts gibt und warum. " Bei den Fluglärmkommissionen ist die Soldatin daher ebenfalls als Ansprechpartner vor Ort.

Dietz überwacht die Koordination der Wartungsmaßnahmen sämtlicher Geräte in der Flugsicherung, darunter die gesamten Funkgeräte samt Telefonanlage ebenso wie beispielsweise das Präzisionsanflugradar, das die Piloten bei der sicheren Landung unterstützt. Ist eines dieser Geräte defekt, muss sich die Offizierin auch um die Reparatur kümmern. Darüber hinaus nimmt sie an Besprechungen wie etwa der "Abo-Runde", also der Arbeits-, Betriebs- und Organisationsplanung, teil. "Dabei geht es um den Flugplan und Fragen wie: Wie viele Flugzeuge werden pro Runde geflogen? Wie viele Piloten sind da? Gibt es Einschränkungen bei der Technik oder haben die Studenten Prüfungen? ", erklärt sie. "Zudem bin ich ständiger Chefvertreter, also immer dann, wenn der Chef Urlaub hat, beispielsweise auf Lehrgang ist oder anderweitig nicht am Standort. "

Alle paar Jahre etwas Neues zu machen, über den Tellerrand zu blicken und sich stets neuen Herausforderungen zu stellen: Diese Dinge sind der Grund, warum Dietz ihr Job so viel Spaß macht. "Es fällt mir generell leicht, mich in etwas Neues einzuarbeiten und man wächst auch immer an neuen Aufgaben. " Wenn es allerdings um ihr Auftreten sowie ihre Autorität geht, "da habe ich mir viel über die Jahre hinweg angeeignet", berichtet sie. "Als ich das erste Mal meinen Chef vertreten oder auch Vorträge halten musste, habe ich das vor dem Spiegel geübt. " Ein bisschen Aufregung macht sich zusätzlich allmählich breit, allerdings in anderer Hinsicht: In diesem Jahr steht noch ein fünfmonatiger Auslandseinsatz für Dietz an - für sie der erste. "Klar, die Nervosität wächst täglich, aber das ist normal. "

Die sich teils hartnäckig haltende Behauptung, dass es Frauen bei der Bundeswehr einfacher haben, die Karriereleiter zu erklimmen, kann Dietz so nicht unterschreiben. "Auf keinem Lehrgang oder auch sonst habe ich gemerkt, dass Frauen anders oder bevorzugt behandelt werden. " Natürlich würde das weibliche Geschlecht öfter aufgrund seiner körperlichen Leistung im Vergleich zu den Männern belächelt. Ihre Kämpfe mit männlichen Kollegen und deren teils abwertenden Sprüchen habe auch sie geführt: ",Was? Die hat Sport studiert und kann keine 100 Liegestütze? ' ist nur ein Beispiel", berichtet sie. Solche Aussagen hätten ihr anfangs zugesetzt, aber mittlerweile prallten sie ab. "Die Bundeswehr hat dazugelernt, gelernt, dass es Frauen in der Truppe gibt, es hat sich gebessert seit 2001 und ich bin froh, dass diese Kämpfe damals andere ausgefochten haben. "

Sicher ist für Dietz aber eines: Eine Frau könne sich nicht verstecken. "Man wird teilweise gesondert begrüßt, zum Beispiel mit ,Meine Dame, wo ist sie denn? Ach da hinten. Und meine Herren' und sticht in der Masse von Männern einfach heraus. " Auch bei der Fluglärmkommission in Neuburg habe sie festgestellt, dass die Menschen gezielt zu ihr kämen. "Als Frau fällt man noch immer auf in der Bundeswehr, aber ich glaube, dass eine Frau mehr Weiblichkeit und vielleicht auch mehr Menschlichkeit in die Truppe bringt. "

Natürlich gebe es auch im Geschwader Frauen, die taffer seien als sie selbst, meint Dietz. "Im gleichen Zug denke ich, dass mich nicht alle meiner Untergebenen mögen - aber man kann es schließlich nicht jedem recht machen und ich denke, dass ich mit meinem Auftreten ganz gut fahre. " Die 37-Jährige achtet dabei darauf, "stets authentisch zu sein und sich nicht zu verstellen, das ist sehr wichtig". Bei der Bekanntgabe von unbequemen Entscheidungen helfe ihr der Satz eines erfahrenen Fachdienstoffiziers, der ihr sinngemäß einmal sagte: "Nina, da darfst du dir keinen Kopf machen, das sind alles Kameraden und keine Freunde hier. " Und wenn man das im Hinterkopf behalte, "fährt man ganz gut", meint Dietz.

DK

Katrin Kretzmann