Die Audi-Chefs im Porträt: Michael Dick, Technische Entwicklung

24.11.2008 | Stand 03.12.2020, 5:24 Uhr

Michael Dick ist seit Anfang 2007 Entwicklungsvorstand bei Audi. Hier sitzt er auf einer Hebebühne im so genannten Physikum der Technischen Entwcklung. - Foto: oh

Ingolstadt (DK) Audi hat weltweit über 50 000 Beschäftigte. Jeder trägt seinen Teil dazu bei, bis 2015 bester Premiumhersteller zu werden – ein Ziel, das der Vorstand ausgegeben hat. Doch wer sind die Männer an der Spitze? Der DONAUKURIER stellt sie in einer Serie vor. Heute: Michael Dick, Technische Entwicklung.

Michael Dick bittet zum Redaktionsgespräch in sein Büro in der Technischen Entwicklung, Gebäude T20, Elektronikcenter – das wahrscheinlich schönste auf dem ganzen Audi-Gelände, luftig und mit viel Glas. Als Dick TE-Vorstand vor bald zwei Jahren wurde, war ihm wichtig, dass er es behält. Und am liebsten arbeitet Dick auch hier und nicht bei den anderen Vorständen, die an der Audi-Piazza sitzen.

Michael Dick ist und bleibt der erste Ingenieur bei Audi. Wenn er im Supersportwagen R8 seine Runden auf dem Nürburgring dreht, müssen die Ingenieure schon mal warten. Und warten. Und warten. Da geht dann die Begeisterung mit ihm durch. Redet er über seine Arbeit, kommt er ins Schwärmen. Seiner Sekretärin Gabriele Köpf sei Dank: Für den DONAUKURIER nimmt er sich statt der geplanten halben eine gute Stunde Zeit. Dabei hatte es anfangs gar nicht gut ausgesehen: Seit April liefen die Planungen für einen Termin. Dick ist eben ein viel beschäftigter Mann.

Wie schaffen Sie Ihr tägliches Pensum, bei dieser Modelloffensive – bis 2015 40 Modelle statt der jetzt 26 auf dem Markt zu haben

Michael Dick: Man muss sich alles intelligent einteilen. Es ist ja nicht so, dass ich als Chef um neun Uhr komme, um drei Uhr gehe und alles delegiere – Audi ist sehr technikorientiert, da ist jeder von uns voll gefordert. Gerade beim Entwicklungschef erwartet die Mannschaft schon, dass er die Themenfelder kennt. Mit den Sportaktivitäten sind dann zusätzlich auch viele Wochenenden verplant.

Wie gehen Sie mit dem Druck um

Dick: Der war gerade im Vorfeld von Le Mans hoch. Meine Aufgabe ist es, in jeder Hinsicht hinter dem Team zu stehen. Das war gerade in dieser Saison wichtig. Da kann ich gut nachvollziehen, unter welchem Druck ein Fußballtrainer steht.

Die Arbeit im Werk und an der Rennstrecke scheint sich sehr ähnlich zu sein.

Dick: Der Vergleich ist gut. Wir haben uns 2004 die Strategie 2015 auf die Fahnen geschrieben und wir haben die Zukunft fest im Blick: Wir streben für die Marke 1,5 Millionen Fahrzeuge pro Jahr an, und die Entwicklung in den unterschiedlichen Stufen von Konzept- bis Serienentwicklung läuft auf vollen Touren. Denn das Portfolio für die nächsten Jahre ist definiert.

Wie gehen Sie mit der Finanzkrise um

Dick: Das größte Problem dieser Krise ist die Verknappung am Geldmarkt. Die Krise hat eine andere Qualität als andere Wirtschaftskrisen. Jetzt lautet die oberste Devise natürlich: Fahren auf Sicht. Aber wir bei Audi sind alle weiterhin drauf aus, höchste Qualität zu liefern – das fängt im frühen Design an und endet im Serienanlauf noch lange nicht. Denn auch danach wollen wir die Fertigung ständig noch besser machen. Wie wir arbeiten, das ist beispielhaft. Natürlich müssen alle neuen Modelle eine Mindestrendite erwirtschaften, sonst werden sie nicht realisiert.

Oder werden sogar noch gestoppt, wenn sie längst am Markt sind – wie der A2.

Dick: Dabei war das Auto ganz eindeutig seiner Zeit technisch voraus. Aber es war zu teuer – und wohl optisch zu gewöhnungsbedürftig für einen Audi .

Ferdinand Piëch sagt, es war falsch auf dem Markt positioniert.

Dick: Da ist viel zusammengekommen.

Aber im zweiten Anlauf wird es besser

Dick (lächelt zufrieden): Lassen Sie sich überraschen.

Wäre die Finanzkrise früher gekommen, sähe die Modellpalette dann anders aus

Dick: Wir schauen in der Entwicklung mindestens sieben Jahre in die Zukunft. Wenn ein A6 oder ein A4 auf Kiel gelegt wird, bei einer Laufzeit von sieben Jahren plus/minus ein paar Monaten, gibt es dazwischen noch eine kleinere oder größere Modellpflege. Daraus ergibt sich eine langfristige Planung, bei der wir bisher nichts ändern mussten. Die Entscheidung für den Audi A1 ist vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung goldrichtig.

Was ändert sich dann in Ihren Planungen

Dick: In Zeiten wie dieser stellt sich die Frage, wo wir den Gürtel enger schnallen können, zum Beispiel bei der Komplexität. Müssen wir diesen Motor oder jene Ausstattungsvariante jetzt machen? Können wir das zeitlich strecken? Da diskutieren wir natürlich schon. Wir stellen aber nicht die Mittel in Frage, das wir in die Zukunft, etwa in die CO2-Reduzierung, investieren wollen.

Wo liegt denn das CO2-Flottenmittel zurzeit

Dick: Bei etwa 170 g/km. Wir wollen 2012 unter 140 sein.

Die EU-Vorgabe von 120 wäre ambitioniert . . .

Dick: Für Audi allein sind die 120 bis 2012 unerreichbar. Da dürften wir nur noch A1, A3 und ein paar A4 verkaufen. Das Ziel 120 g/km müssen wir aber als Konzern erfüllen und nicht als Marke Audi. Unser Beitrag dazu ist 140 g/km.

Der neue VW-Mehrheitseigner Porsche ist da noch nicht mit eingerechnet

Dick: Nein.

Aber Sie werden es wohl einrechnen müssen.

Dick (schmunzelt): Mal schauen.

Was macht dabei die zukünftige Entwicklung in Sachen Hybrid und Elektro aus

Dick: Das beschäftigt uns ganz, ganz intensiv. Wir haben gerade erst eine Klausur zu diesem Thema gehabt, weil wir die Mannschaft in der Technischen Entwicklung optimal auf die neuen Prioritäten ausrichten wollen. Es ist noch ein weiter Weg, bis sich solche An-triebsformen auch wirtschaftlich darstellen lassen. Wobei die Frage ist, wie die Kunden es annehmen, dass sie nur eine bestimmte Reichweite haben und wissen, dann müssen sie nachladen.

Macht das überhaupt noch Spaß so . . . geräuschlos

Dick: Schon, ich bin selber schon ein paar Autos gefahren. Die können klingen wie ein kleiner Düsenjäger.

Oder wie der R8?

Dick: Auch daran werden wir mit Sicherheit arbeiten. Diese Themenfelder werden zurzeit komplett abgeklopft. Man muss aber auch eines wissen: Der Verbrennungsmotor wird uns noch lange Zeit begleiten. Und der hat auch noch viel Potenzial.

Neben Finanzkrise und CO2 gibt es noch ein Problem für einen Autobauer: den Altersdurchschnitt der Bevölkerung.

Dick: Das Schlimmste, was Sie da machen können, ist das "seniorengerechte Auto". Sie müssen das so intelligent verpacken, dass sich die Leute in den Autos nach wie vor jung fühlen. Wir beschäftigen mittlerweile eine ganze Reihe von Leuten quer durchs Unternehmen mit dem Thema. Da gibt es sehr viele gute Ideen, die das Autofahren auch für ältere Menschen sehr attraktiv machen.

Und was wird aus der Emotion

Dick: Wir haben mit unseren Autos bewiesen, wie wichtig für uns die Emotionen beim Autokauf und Autofahren sind. Und diese Emotionen wollen und werden wir mit unseren Produkten unabhängig von zukünftigen Antriebsarten erhalten – auch wenn viele versuchen, uns die auszureden.