Regensburg
"Die Alarmglocken schrillten"

SPD-Landesschatzmeister erklärt, warum er den Fall Wolbergs ins Rollen brachte

22.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:45 Uhr

Regensburg (DK) Es war der Kassenwart der bayerischen SPD, der die Ermittlungen gegen seinen Regensburger Parteifreund Joachim Wolbergs ins Rollen gebracht hatte. Gestern trat Thomas Goger aks Zeuge im Korruptionsprozess gegen den suspendierten Oberbürgermeister auf.

Ein nichtgenehmigter Wahlkampfkredit und hohe Spendeneingänge auch nach dem Wahlkampf hatten den SPD-Landesschatzmeister 2016 stutzig gemacht. "Ohne das Problem mit dem ungenehmigten Kredit hätte ich keine Veranlassung gehabt, mir die Rechenschaftsberichte kommen zu lassen", sagte Goger vor Gericht. Der Jurist ist seit 2007 Schatzmeister der Landes-SPD und im Hauptberuf Oberstaatsanwalt in Bamberg. "Ich gebe zu, das Parteiengesetz stellt hohe Anforderungen an die Rechnungslegung und ist keineswegs unkompliziert", räumte Goger ein. Dennoch würde er heute wieder so vorgehen, erklärte er.

Der inzwischen suspendierte OB Wolbergs muss sich vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes wegen Vorteilsannahme und Verstoßes gegen das Parteiengesetz verantworten. In dem seit Ende September laufenden Prozess geht es unter anderem um die Frage, ob Spenden des ebenfalls angeklagten Bauunternehmers Volker Tretzel an die SPD und an den SSV Jahn Regensburg bei der Vergabe eines Bauprojektes an den Unternehmer eine Rolle gespielt haben.

Goger sagte, bei der Prüfung eines Rechenschaftsberichtes der Regensburger SPD sei ihm zunächst nur der ungenehmigte Kredit aufgefallen. Um zu vermeiden, dass sich einzelne Unterverbände verschulden, muss jeder Kredit, der nicht binnen eines Jahres getilgt werden kann, mit dem Landesverband abgesprochen werden, erklärte er. Das war in dem Bericht nicht der Fall. Erst dadurch sei er auf die Ungereimtheiten im Spendenverhalten gestoßen, so Goger. Wolbergs soll als Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Stadt-Süden von Tretzel über Strohmänner Spenden von rund 475000 Euro für den OB-Wahlkampf erhalten haben. Die Beträge waren laut Anklage gestückelt, um der Veröffentlichungspflicht zu entgehen und so ihre Herkunft zu verschleiern.

Auch das anhaltend hohe Spendenaufkommen nach dem Wahlkampf warf Fragen auf, so Goger. "So einen Fall hatte die Landesgeschäftsstelle noch nicht." Die Bayern-SPD finanziere sich überwiegend aus Mitgliedsbeiträgen. Aus dem Grunde habe er die Berichte aus dem Jahr 2015 unter die Lupe genommen und sich die Spendenlisten schicken lassen. Dabei sei schon auf der ersten Seite aufgefallen, dass die Spender der sogenannten juristischen Personen alle die gleiche Anschrift hatten, nämlich die des Immobilien Zentrums Regensburg (IZ). Außerdem lagen alle unter der gesetzlich vorgeschrieben Veröffentlichungsgrenze von 10000 Euro. Meist waren sie gestückelt in Tausender-Beträge.

Daran war laut Goger zunächst noch nichts ungewöhnlich. "Mal eine Spende knapp unter dieser Grenze ist noch nicht verwerflich", so der SPD-Landesschatzmeister. "Die Alarmglocken schrillten aber", als auch Spenden von natürlichen Personen alle einer Person und Firma zugeordnet werden konnten. "Das war schon komisch", dass binnen weniger Tage mehrere Spender mit der Anschrift des Mitangeklagten Bauträgers Volker Tretzel "plötzlich ihr Herz für die Sozialdemokratie entdeckten", so Goger. Der enge zeitliche Zusammenhang, immer knapp unter der Veröffentlichungsgrenze - und alle Personen lassen sich einem bestimmten Kreis zuordnen. "Für mich war klar: Das ist problematisch."

Deshalb habe er seinen Kollegen von der Staatsanwaltschaft eine dienstliche Mitteilung zukommen lassen. "Für mich war das deshalb nicht nur ein politisches oder parteienrechtliches Problem, sondern auch ein strafrechtliches", erklärte Goger seine Entscheidung vom 8. Februar 2016. "Ich hätte die Vorgänge um die Regensburger SPD aber auch als normaler Kassenwart des SPD-Landesverbandes angezeigt." Sein Schweigen gegenüber der SPD-Führung in Regensburg begründete er gegenüber dem Gericht mit dem Argument, er habe auch den SPD-Landesverband schützen wollen. "Ich wollte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, da werde jemand gewarnt oder irgendetwas unter den Tisch gekehrt." Das Regensburger Problem sollte außerdem in Regensburg bleiben und nicht auf die Bayern-SPD übergreifen.

Als weitere Zeugin sagte eine Mitarbeiterin von Wolbergs' Ortsverband aus. Sie brach eine Lanze für Wolbergs. "Regensburg ist seine Stadt und er hat alles für diese Stadt getan", sagte die Frau aufgewühlt und mit den Tränen kämpfend. Sie sei davon überzeugt, dass er nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe. Die momentane Situation sei schlimm für ihn. "Das hat er nicht verdient."

Flora Jädicke