Neuburg
"Die Aids-Behandlung ist unsere Hauptaufgabe"

Der Missionar Pater Gerhard wirbt in Neuburger Kirchen für sein Hilfsprojekt in Südafrika

28.05.2012 | Stand 03.12.2020, 1:27 Uhr

 

Neuburg/Mandeni (DK) Der Kampf gegen Aids ist seine Lebensaufgabe geworden: Vor 25 Jahren machte sich der Priester Clemens Lagleder als Missionar Pater Gerhard auf nach Südafrika. Dort erlebte er nicht nur Apartheid und Armut, sondern auch die explosionsartige Ausbreitung des HI-Virus.

Schritt für Schritt baute er im Osten des Landes eine Hilfsstation des Malteser-Ordens auf, die zur größten katholischen Hilfsorganisation in Südafrika wuchs: 550 Aidspatienten werden derzeit dort behandelt. Der Komplex umfasst einen Kindergarten für Waisen und ein Hospiz für Menschen, die den Kampf gegen das Virus verloren haben. Über die Pfingstfeiertage besuchte der geborene Regensburger seine Geschwister in Neuburg, erzählte in Gottesdiensten von seiner neuen Heimat und warb um Spenden für seine Hilfsstation in Mandeni. Mit Sebastian Schanz sprach der 56-jährige Benediktiner über seine Arbeit.

Herr Pater, wie wurden Sie zum Missionar in Südafrika?

Pater Gerhard: Das war vor 25 Jahren, als mich mein Erz-abt der Missionsbenediktiner fragte, ob ich mir vorstellen könnte, nach Zululand zu gehen. Ich war am Anfang nicht gerade begeistert, als Weißer ins Land der Apartheid zu gehen. Aber ich war auch dankbar, mich dieser Aufgabe stellen zu dürfen.

 

Wie haben Sie die Apartheid erlebt?

Pater Gerhard: Ich habe einmal einen schwer verletzten Schwarzen in eine Klinik gebracht. Aber der Arzt hat mich abgewiesen, er könne nicht helfen. Das sei eine Klinik für Weiße. Ich hatte gehofft, man könnte wenigstens ein bisschen helfen, aber wir mussten den Patienten in ein anderes Krankenhaus bringen. Die Armut in den schwarzen Ghettos war extrem. Es war für mich, als ob man vom Zehn-Meter-Brett ins Wasser springt und direkt ins Elend eintaucht. Ich habe damals gleich gesagt: Wir müssen etwas tun. Also haben wir unseren Malteser-Orden aufgebaut, die Bruderschaft des Seligen Gérard, benannt nach dem Gründer des Malteser-Ordens.

 

Wie ist die Lage heute?

Pater Gerhard: Die Provinz KwaZulu-Natal ist ein Gebiet mit großen Elendsvierteln. In den Townships haben sich die Menschen aus Autoteilen und Wellblech Baracken zusammengebastelt. Die meisten sind arbeitslos. Und dann sind wir von der Aids-Welle überrollt worden. Ich habe mal in den 90ern ein Interview gegeben und die damalige Aidsrate von zehn Prozent als erschreckend beschrieben. Jetzt wären wir darüber froh. Heute liegt die Aidsrate in unserer Region bei rund zwei Dritteln. Und die Aidsbehandlung ist unsere Hauptaufgabe geworden. Momentan erhalten 550 Patienten in unserem Care-Center eine antiretrovirale Behandlung. Und wir haben das größte stationäre Hospiz Südafrikas mit 40 Betten. Im letzten Jahr starben dort 200 Menschen, fast immer an Aids.

 

Warum ist der Kampf gegen die Krankheit so schwer?

Pater Gerhard: Das fängt bei der Ungleichheit der Geschlechter an. Frauen sind meistens arbeitslos und selbst wenn sie Arbeit haben, verdienen sie viel weniger als Männer. Der Schritt, ihren Körper zu verkaufen, ist sehr klein. Mir haben Frauen erzählt, lieber infiziere ich mich und habe noch zehn Jahre, als kein Geld zu haben. Dazu kommt die Polygamie. Es ist völlig selbstverständlich, dass ein Mann mehrere Frauen hat. Und es ist auch in der Gesellschaft absolut nicht ehrrührig, wenn ein verheirateter Mann mit einer anderen Frau Kinder hat. Dazu kommt die Einstellung, eine Frau dürfe nicht Nein sagen, wenn ein Mann etwas von ihr will – diese Unterwürfigkeit. Und es gibt auch Aberglauben. Es kursiert das Ammenmärchen von der heilenden Defloration. Männer versprechen sich Heilung, wenn sie mit Jungfrauen schlafen. Es gibt fast keine zwölfjährigen Mädchen mehr, die noch Jungfrauen sind, weil die meisten schon vergewaltigt wurden. Ich habe ein Baby von neun Monaten in Händen gehalten, das vom Vater vergewaltigt wurde.

 

Wie haben Sie es geschafft, bei all dem Elend noch nicht aufzugeben?

Pater Gerhard: Wir haben auch sehr viele Erfolge. Die jungen Frauen, die bei uns arbeiten, lernen viel und geben ihr Wissen weiter. Und Aids ist behandelbar, wenn auch nicht heilbar. Man kann auch mit der Krankheit leben. Man muss die Menschen nur über die Konsequenzen aufklären, wenn sie ungeschützt Sex haben.

 

Sie sprechen von der Verwendung von Kondomen. Wie stehen Sie dazu, dass Papst Benedikt XVI. vor zwei Jahren den Gebrauch von Kondomen erstmals als Möglichkeit bezeichnet hat, die Ausbreitung von Aids zu bekämpfen?

Pater Gerhard: Endlich. Das habe ich gedacht, weil ich froh bin, dass es eine Möglichkeit gibt, die man nicht ablehnen muss, weil sie als unmoralisch gesehen wird. Die katholische Sexualmoral ist auf die Ehe aufgebaut, deshalb ist es natürlich schwierig, von der Kirche zu erwarten, dass sie einem sagt, wie man sich eigentlich nicht verhalten sollte. Doch die Einstellung unserer Kirche ist für die meisten Südafrikaner ohnehin kaum ein Thema. Unser großes Problem ist, dass wir die Leute dazu bringen müssen, Kondome zu benutzen. Aber die wollen nicht. Kondome liegen überall aus, in Banken oder öffentlichen Gebäuden. Aber sie werden nicht verwendet. Den Menschen in ihr Sexualverhalten reinzureden, ist wahnsinnig schwer.