Diabolisch und amourös

07.05.2009 | Stand 03.12.2020, 4:58 Uhr

Unerkannt geht eine Mörderbande um und versetzt die Bürger von Paris im Jahr 1680 in Angst und Schrecken: Thorsten Krohn und Markus Campana in "Scuderi" an der Schauburg. - Foto: DigiPott

München (DK) Silbrig matt glänzen die Sterne über dem scherenschnitthaft-nächtlichen Himmel von Paris und silbrig grell glitzern und funkeln die Armbänder, Ringe, Halsketten und das übrige Geschmeide an den Ohren, Hälsen, Fingern und Handgelenken der Mademoiselles und Demoiselles sowie in den halb geöffneten Schatullen der Räuber und Hehler, der lichtscheuen Musketiere und Gigolos aus aller Herren Länder. Dazu jaulen eine E- und eine Bassgitarre auf und das Schlagzeug hämmert Rhythmen, die von Diebstahl, Mord und anderem Schauer beinhart künden: Die Drei-Mann-Band der Bananafishbones und der Texter und Regisseur Gil Mehmert haben E.T.A. Hoffmanns romantische Gruselgeschichte "Das Fräulein von Scuderi" zur ebenso fetzigen wie angeschnulzten Rockoper "Scuderi" umgetopft.

Als fantastisch-wunderliche Geschichte aus dem Paris des Sonnenkönigs Ludwig XIV. voll Wahn und schwarzer Magie, voll Spuk und Dämonie in Vermischung realer und irrealer Vorgänge führt der Dichter, Komponist, Dirigent, Bühnenbildner und Theaterleiter Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776–1822), der eigentlich Jurist in Preußen war, in seiner 1819 erschienenen Novelle den Goldschmied René Cardillac vor, der vor keinem Mord zurückschreckt, um wieder in den Besitz seiner Schmuckstücke zu gelangen. Schließlich empfindet er all die Kunstwerke als Teile seiner Identität und nicht als Geschenke für schnöde Liebesabenteuer. Tiefschwarz ist folglich auch die Bühne (von Heike Meixner) und ebenso schwarz wie in einem herrlichen Stilmischmasch zwischen originalem Rokoko-Outfit und ausgeflipptem Boutiquenfummel von heute sind die Kostüme (von Janina Mendroch). Und über allem liegt die Düsternis, in der das Diabolische und das Amouröse bestens gedeihen. Mit Leidenschaft wird beides zelebriert und in Gil Mehmerts ebenso schmissiger wie gagreicher Inszenierung zudem voll Hingabe in Rückblenden und Visionen, in Traum- und Albtraumszenen intrigiert und duelliert, gezickt, gezofft, geschmachtet und gemeuchelt.

Passend zur Morbidität im Salon des Fräuleins von Scuderi und zu all den Verbrechen in den dunklen Seitengassen röhrt der Rock der Bananafishbones-Brüder Peter und Sebastian Horn sowie des Schlagzeugers Florian Rein wie ein Menetekel aus der ruchlosen Unterwelt durch Münchens Schauburg, dem Theater der Jugend. Dazu überzeugen neben all den Protagonisten in Mehrfachrollen vor allem Stefanie Dietrich als um Contenance bemühtes, die mysteriösen Morde klug aufklärendes Fräulein von Scuderi, Thorsten Krohn als mephistophelischer Goldschmied Cardillac und Markus Campana in der Rolle des brillant singenden, spielenden und steppenden Goldschmiedelehrlings Olivier Brusson als Schwarm der Mätressen auf und der Mädels vor der Bühne. Für Hoffmanns Schulklassiker als fetzige Theaterfete gab es großen Jubel.

Weitere Aufführungen vom 19. bis 23. Mai; Telefon (0 89) 23 33 71 55.