Die Grenzen des Bildes

07.05.2009 | Stand 03.12.2020, 4:58 Uhr

Auftakt einer neuen Reihe: Katharina Grosses Skulptur auf den Museumsplatz nimmt eine Verbindung zu den Innenräumen auf. - Foto: Kühnel

Nürnberg (DK) Ein gigantisches Kunstgebirge türmt sich vor der weit schwingenden Glasfassade des Staatsmuseums für moderne Kunst Nürnberg auf – so als habe eine Riesenhand die Leinwandbilder des Kunsttempels zu einem bunten Papierknäuel zusammengeknüllt und dem Museum vor die Füße geworfen. Doch hinter dem Kunst-Chaos steckt Kalkül: Die Künstlerin Katharina Grosse sprengt mit ihrer überdimensionalen Bild-Skulptur den gewohnten Bilder-Rahmen und erweitert das gemalte Bild in die Dreidimensionalität des Raums.

Und als sei das noch nicht genug, setzt sich ihr Fassadenprojekt "Stuntweed", das sich in der Glaswand des Museums in Brechungen und Schattierungen spiegelt, hinter der Fassade fort: Wie versprengte Felsbrocken liegen Blöcke und amorphe Trümmer im Innern des Museums, versperren riesige Leinwandbilder in den leuchtendsten Farben den Blick, stehen vor- und übereinandergeschobene Bildtafeln im Weg und machen die betroffenen Ausstellungsräume zu einem Bilder-Labyrinth: ein ganz neues Museumsgefühl für den Besucher, der den Bildern an den Wänden nicht mehr gegenübersteht, sondern – in des Wortes doppelter Bedeutung – gleichsam "im Bild ist", mittendrin.

Katharina Grosse (Jahrgang 1961), in der internationalen Kunstszene längst renommierte und arrivierte Künstlerin, hat mit der fast sechs Meter hohen und an die 20 Meter langen und breiten Skulptur ihr bisher wohl voluminösestes, raumgreifendstes Werk geschaffen. Das "Drinnen" und das "Draußen" des Museums werden gleichsam aufgehoben, innen und außen gehen ineinander über – das Kunstwerk ignoriert die Wände des Museums und sprengt seine architektonischen Grenzen. Bleibt aber immer noch mit seinen Farbschlieren und abstrakten Farbflächen ein in den Raum ausgreifendes Bild, das freilich nicht von ungefähr an Caspar David Friedrichs romantische Bildfindung "Das Eismeer" erinnert – oder an Gerhard Richters Farb-Phantasmagorien, die hier dreidimensionale Gestalt angenommen zu haben scheinen.

Mit diesem wunderbaren "Fassadenprojekt" öffnet sich das Nürnberger Staatsmuseum für moderne Kunst ganz buchstäblich nach außen – und lädt mit Katharina Grosses begehbarem Kunstwerk geradezu nach drinnen ein!

Staatsmuseum für moderne Kunst Nürnberg, Klarissenplatz, bis 26. Juli, Di bis Fr 10 bis 20 Uhr, Sa und So 10 bis 18 Uhr. Die Außenskulptur ist rund um die Uhr zu besichtigen.