München
"Deutschland in Schutt und Asche legen"

Kommissar Zufall fasst Bahn-Erpresser aus südlichem Landkreis Roth – Dreieinhalb Jahre Haft

25.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:09 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: Sebastian Schanz

München/Greding (HK) Er hat versucht, die Deutsche Bahn und die Münchner Rückversicherung zu erpressen. Erst um jeweils zwei Millionen Euro, später um deutlich mehr. Dafür wurde Kai E. (Name geändert) aus dem südlichen Landkreis Rothjetzt vor dem Landgericht München zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

 

Die Erpresserbriefe ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Er sprach davon, „Deutschland in Schutt und Asche“ zu legen und dass er Züge entgleisen lassen werde. Es werde gar „ein zweites Eschede“ geben. Er wolle zwar nicht unbedingt „Personenschäden“, nehme diese aber „in Kauf, um unsere Forderungen durchzusetzen“. Doch biss Kai E. damals, im Mai 2008, auf Granit. Er konnte in Obermässing kein Geld vom eigens auf den fingierten Namen Sabine M. eingerichteten Girokonto abheben, es war leer geblieben. Bei einem weiteren Versuch in Lenting wurde das Konto gesperrt.

Schon vor sieben Jahren hat die Spur der Ermittler einmal nach Greding geführt. Damals verlief sie noch im Sand. Erst der Zufall führte die Polizei im Februar dieses Jahres zu dem Bahn-Erpresser, der seinen Wohnsitz im südlichen Landkreis Roth hat. Denn der Fall war bereits ergebnislos ad acta gelegt. Doch wurde Kai E. (46) von seiner Vergangenheit eingeholt, ausgerechnet durch einen anderen Kriminellen – der bis heute nicht gefasst ist: Beim heutigen Arbeitgeber von Kai E. in Nürnberg war eingebrochen worden. Die Polizei sicherte verschiedene DNA-Spuren am Tatort, auch die des völlig unverdächtigen Mannes. Routinemäßig jagten die Ermittler die gefundene DNA durch den Computer. Und landeten einen unerwarteten Treffer. Gleich darauf wurde Kai E. am 2. Februar verhaftet.

In der vergangenen Woche stand er nun vor der 19. Strafkammer des Landgerichts in München, an vier Verhandlungstagen wurde der Fall aufgearbeitet – obwohl Kai E. bereits am Montag sein Geständnis vom Februar wiederholt hatte. „Er möchte die Verantwortung für seine Taten übernehmen und die Karten auf den Tisch legen“, verlas sein Verteidiger Uwe Paschertz eine Erklärung. Gestern fällte die Vorsitzende Richterin Elisabeth Erl das Urteil: Für dreieinhalb Jahre muss Kai E. ins Gefängnis. Dass es keine Bewährungsstrafe geworden war, wie der Verteidiger ob des Geständnisses gefordert hatte, begründete die Richterin unter anderem mit der Abschreckung von Nachahmungstätern.

Vor Gericht zeichnete Kai E. von sich das Bild eines völlig überforderten Finanzmaklers, der nicht nur an der Schuld zu knabbern gehabt habe, dass seine Anleger ihr Geld verloren hatten, sondern auch er selbst pleite war. Geschämt habe er sich: „Ich traute mich nicht mehr auf die Straße.“ Weil er dringend Geld brauchte, sei er auf die Idee mit der Erpressung gekommen. Und zwar in ganz großem Stil: Er erfand eine – nicht existierende – Gruppe, die hinter den Taten stehen sollte. Deren Protagonistin, die auch die Erpresserbriefe unterzeichnete, war Sabine M. Unter diesem Namen eröffnete Kai E. anonym ein Bankkonto, ließ sich EC-Karte und PIN per Post an eine Adresse ins Gredinger Gewerbegebiet schicken. Die dortige Firma war insolvent, die Räume standen leer. Zwar fand die Polizei später einen Briefkasten vor, auf dem der Name Sabine M. angebracht war, doch ließ sich der Name keinem Verdächtigen zuordnen.

Die Geldübergabe sollte nach dem Willen des Erpressers per Überweisung erfolgen, im Falle der Münchner Rückversicherung zunächst 2,1 Millionen Euro. Wenn diese die Zahlung verweigerte, wollte Kai E. immer wieder hochwertige Immobilien zerstören und gleichzeitig jedes Mal seine Forderung um 100 000 Euro erhöhen. „Sie können dann schon mal alle Feuerwehren in Bayern darüber informieren, dass sie über Pfingsten erhöhte Alarmbereitschaft haben sollten“, drohte er per Brief. Sollte etwas schiefgehen oder einer der Gruppe gefasst werden, so würden sich die anderen rächen – so die letztlich leere Drohung. Im Fall der Deutschen Bahn sollte es bei Weigerung jede Woche einen entgleisten Zug geben. Und jede Woche eine um eine Million Euro höhere Forderung.

Fünf Briefe hatte Kai M. im Frühjahr 2008 verschickt, ehe er aufgab. Zuvor jedoch versuchte er zwei Mal, seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen: Auf dem Gelände des Praktiker-Marktes in Ingolstadt versuchte er, einen Holzstapel zu entzünden, in der Nähe des Gaimersheimer Bahnhofs legte er eine kleine „Entgleisungsfalle“. Er scheiterte – als Brandstifter, als Zugentgleiser und als Erpresser.