Augsburg
Der Typ, der keiner mehr sein will

FCA-Verteidiger Martin Hinteregger spricht das aus, was er denkt möchte sich aber künftig zurückhalten

25.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:44 Uhr

Augsburg (DK) FCA-Verteidiger Martin Hinteregger gilt als einer der letzten Profis, der offen ausspricht, was er denkt. Doch das möchte er nun ändern: leise Töne statt kerniger Aussagen. Der Profi des FC Augsburg trainiert die U 9 des TSV Haunstetten und lernt Ziehharmonika.

Die letzten Schritte schmerzen. Und doch umspielt noch immer dieses verschmitzte Lächeln Martin Hintereggers Mundwinkel. "Ist ein Arzt anwesend", ruft er in Richtung der Trainingskiebitze, dann lässt er sich auf den Rasen hinabsacken. Gerade hat er Intervallläufe hinter sich gebracht - und sie letztlich ohne medizinische Versorgung überstanden.

Hinteregger ist einer, der hart arbeitet, aber eben immer auch einen Spruch auf den Lippen hat. Einer, der ausspricht, was ihm gerade durch den Kopf schießt und in Interviews nicht die Aussagen von der Medienschulungsstange abspult und auch den Diskurs mit den Anhängern am Zaun vor der Fankurve nicht scheut. So wurde er zu einem der Gesichter des Augsburger Abstiegskampfs. Und ein Spieler, den man gemeinhin einer Gattung zuschiebt, deren Mitglieder im stromlinienförmigen Profifußball vom Aussterben bedroht scheinen: die echten Typen. Doch davon möchte der 24-Jährige am liebsten gar nichts hören. "Der Typ Hinteregger war vielleicht einmal, aber der hält sich jetzt dezent zurück", kündigt er mit leiser Stimme an. "Ich halte nicht viel von Über-die-Medien-Sprechen", sagt er und schiebt lächelnd hinterher: "Nicht mehr."

Der österreichische Nationalspieler hat aus der Vergangenheit gelernt. Es liegt wohl daran, dass in der Öffentlichkeit derzeit ein Paradoxon vorherrscht: Einerseits fordern viele echte Typen, mit Ecken und Kanten, weil es ohne sie doch so furchtbar langweilig ist. Andererseits werden markige Sprüche aufgrund ihres seltenen Vorkommens tagelang breitgetreten.

Und Hinteregger hatte einige solch kernige Aussagen parat. "Derselbe Koffer wie als Spieler", nannte er dereinst in Salzburg den gegnerischen Trainer Didi Kühbauer. Auch kritisierte er offen die Spielerschieberei zwischen den Red-Bull-Filialen in Leipzig und Salzburg. Er wäre selbst dann froh, nach Augsburg gewechselt zu sein, wenn Leipzig Meister würde und der FCA absteige, stichelte Hinteregger. Und nach der Niederlage in Frankfurt kritisierte er offen Teile der eigenen Mannschaft: "Wenn in der 70. Minute fünf Spieler signalisieren, dass sie raus wollen, dann musst du das hinterfragen. Es ist Abstiegskampf. Da musst du auf die Zähne beißen."

Das zurückhaltender Agieren hat nun bereits begonnen. Der Kärntner macht nach jeder Frage zunächst eine Pause, wägt ab, welche Antwort er gibt. "Ich bin ein Mensch", setzt er schließlich an, "der nicht in sozialen Medien vorhanden ist, der einfach nur die Ruhe will und nichts über sich sehen und hören will", fährt er fort. "Das werde ich in Zukunft bewusster angehen: keine Aufmerksamkeit erregen, sondern einfach meinen Job erledigen." Wobei es daran in der vergangenen Spielzeit ohnehin nicht fehlte. Wackelte er zu Anfang in Augsburg noch, entwickelte er sich im Lauf der Saison zum konstantesten aller Verteidiger. Er schoss drei Tore und seine Lucio-ähnlichen, wuchtigen Vorstöße genießen längst Kultstatus in Augsburg.

Der Typ Hinteregger braucht sie ja vielleicht gar nicht, diese polarisierenden Aussagen, um weiter der Typ Hinteregger zu sein. So trainiert der Bundesliga-Profi nun die U 9 des TSV Haunstetten. Selbst in deren Sommerpause. "Drei, vier, fünf Kleine finden sich immer, die Bock haben zu trainieren, dann treffen wir uns spontan am Fußballplatz", erzählt Hinteregger, der plötzlich regelrecht aufblüht. Die Nachwuchskicker schreiben in die WhatsApp-Gruppe "und ich steh' denen zur Verfügung", sagt er. Hinteregger ist somit ein Mann zwischen den Welten. Das Profidasein hier, die Kinder dort. "Das ist der wirkliche Fußball da unten", stellt er auch anhand der bizarren Transfersummen, die mittlerweile Usus sind, fest. "Das bringt dich zurück zu den Wurzeln. Wie du selber angefangen hast, wie du richtig Spaß am Fußball hattest."

Martin Hinteregger scheint nachdenklicher geworden. Ohnehin ist er einer, der nicht so recht in das Profigeschäft passen will. Nicht nur, weil er keine sozialen Medien betreibt. Er trägt schwarze Kickstiefel, einen unspektakulären Haarschnitt und seine Arme sind frei von Tattoos. Früher, das sagte er einmal in einem Interview, da habe er schon "viel Scheiß gebaut". In Augsburg wird Hinteregger gerade erwachsen, er entwickelt sich zum Führungsspieler.

Intern Dinge ausdiskutieren wolle er und freilich weiter mit den Fans sprechen; nur eben weniger mit der Presse. "Vor fünf Jahren habe ich einmal gesagt, ich habe einen Jagdschein gemacht. Seitdem kommunizieren das die Medien als mein größtes Hobby. Ich war zwar oft Jagen, habe auch schon was geschossen - aber es ist nicht mein Hobby", stellt er richtig.

Für Hinteregger soll die Zeit der leisen Töne beginnen: "Ich habe mich gerade angemeldet für Unterricht in Steirischer Ziehharmonika und Mundharmonika."

Ob laut oder leise: Martin Hinteregger bleibt ein besonderer Profifußballer.