Ingolstadt
Der Tristesse folgt die Ekstase

Irrer Comeback-Sieg gegen München soll für ERC Initialzündung im Kampf um die Spitzenplätze sein

25.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:38 Uhr
Hand in Hand über das Eis: Nach dem Triumph gegen Spitzenreiter EHC München tanzten die Spieler des ERC Ingolstadt Sirtaki. −Foto: Foto: Traub

Ingolstadt (DK) 6:4-Erfolg nach 0:3-Rückstand: Der ERC Ingolstadt ist nach seinem fulminanten Comeback gegen Spitzenreiter EHC München gebührend gefeiert worden.

Doch der erst zweite Sieg gegen ein Top-Sechs-Team der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) soll nur der Anfang sein.

Die ERC-Spieler hatten alles gegeben. Sie hatten die Partie gegen München mit einer spektakulären Aufholjagd noch umgebogen und am Ende eines verrückten Spiels gegen das derzeit beste Team der Liga noch einen Sieg gefeiert, auf den keiner mehr gewettet hätte. Doch die tobenden Fans in der Saturn-Arena hatten noch immer nicht genug. Als die Panther bereits in ihrer Kabine verschwunden waren, forderten die Zuschauer eine Rückkehr auf das Eis. "Alle auf die Knie", skandierten die Anhänger. Am Ende ließen die Spieler ihr fast in Vergessenheit geratenes Siegritual aufleben und tanzten beim Sirtaki vor den jubelnden Fans Hand in Hand über das Eis.

Dabei herrschte rund zwei Stunden zuvor noch große Tristesse in der Saturn-Arena. Vier Minuten nach Beginn der Partie stand es nach Toren von Trevor Parkes und Frank Mauer bereits 0:2, die Panther waren den Münchnern gnadenlos unterlegen und wurden teilweise vorgeführt. "Im ersten Drittel liefen wir ständig dem Puck hinterher, sie haben das Tempo bestimmt", meinte Stürmer Kris Foucault. Patrick Hager legte auch noch das 0:3 nach, es drohte die nächste Pleite gegen eines der Top-Teams der Liga. Das Spiel war gelaufen - dachte man zumindest.

Doch das war es noch lange nicht. Denn die Panther zeigten im zweiten Durchgang ein irres Comeback, nutzten ihre Überzahlsituationen geschickt und stellten die Partie mit Toren von Foucault, Mirko Höfflin, Tim Wohlgemuth und Mike Collins innerhalb von zwölf Minuten auf den Kopf. "Der Unterschied war der Wille zum Sieg. Die Jungs haben gekämpft und endlich mit Herz gespielt", erläuterte Doug Shedden.

Die große Frage lautete deshalb: Was hatte der Trainer in der Drittelpause mit seinen Spielern angestellt? "Gar nicht so viel", meinte der Coach. "Ich habe die Jungs nur gefragt: Glaubt ihr wirklich, wir können dieses Spitzenteam mit dieser Leistung schlagen? Du musst härter arbeiten als sie, das Tempo anziehen und sie aus ihrer Komfortzone bringen, denn sie spielen ihr System sehr diszipliniert. "

Dass dies plötzlich so gut funktionierte, überraschte aber auch den Trainer. "Es schien, als hätten wir Schlaftabletten an die Münchner verteilt. Das war das beste Drittel der gesamten Saison", meinte Shedden. Tatsächlich diktierten die Panther das Tempo, während die Fans tobten. "Wir bedanken uns bei 3800 Zuschauern - und wer daheim geblieben ist, sollte sich in den Arsch beißen", rief Stadionsprecher Hannes Langer voller Euphorie.

Die, die gekommen waren, trugen mit dazu bei, dass die Panther im letzten Drittel dem Druck des Vizemeisters standhielten und nach Toren von Matt Bailey und Brett Olson trotz eines letzten Gegentreffers von Yasin Ehliz als verdiente Sieger vom Eis gingen. "Unsere Fans haben einen tollen Job gemacht. Es war eine großartige Atmosphäre", meinte Shedden.

Großen Anteil am Erfolg hatte auch Stürmer Wayne Simpson, der schon jetzt unverzichtbar geworden ist. Gegen München war der drittbeste Scorer der Liga an zwei Treffern beteiligt; alleine in den jüngsten drei Partien sammelte er sieben Scorerpunkte. "Der Kernpunkt war, dass wir nicht zu schnell aufgegeben haben", meinte der 30-Jährige. "Wir wussten, wir haben noch 40 Minuten. Das war genug Zeit, um zurückzuschlagen. "

Für die Panther war es der erste Erfolg gegen den EHC nach zuvor vier Pleiten in Folge. "München ist ein extrem gutes Team, nicht nur in der Liga, sondern in ganz Europa. Mit dem Sieg haben wir gezeigt, dass wir mit den Besten mithalten können", meinte Foucault.

Der Triumph gegen den EHC war für die Ingolstädter allerdings erst der zweite Saisonsieg gegen eines der derzeit sechs besten Teams der DEL. Demgegenüber stehen sieben Niederlagen. Nach dem Heimspiel gegen die Schwenninger Wild Wings an diesem Freitag warten zwei schwere Auswärtsspiele gegen die Straubing Tigers und die Adler Mannheim auf den ERC. Dann wird sich zeigen, ob die Partie gegen München eine Initialzündung im Kampf um die beste Ausgangsposition für die K. -o. -Runde war. Derzeit stehen die Panther auf Platz sieben knapp außerhalb der Play-off-Plätze, doch auf Rang vier fehlen nur drei Punkte.

"Wir haben am Freitagabend in Düsseldorf gegen ein sehr gutes Team gespielt und hätten das Spiel eigentlich gewinnen müssen. Wenn wir zweimal gewonnen hätten, wäre das ziemlich beeindruckend gewesen. Aber zumindest der Sieg heute war sehr gut", meinte Shedden. "Sind wir also ein Top-Team? Wir wollen zu den Top Sechs gehören, wir sind nah dran. " Damit das Ziel erreicht wird, müssen die Spieler heute trotz ihrer beeindruckenden Leistung wieder aufs Eis, da blieb der Trainer hart. "Doug will uns keine zwei Tage frei geben", meinte Foucault. "Damit wir nicht abheben."

Suche nach Smith-Ersatz läuft

Nach der  überraschenden Trennung  von Stürmer Colin Smith  hält  der  ERC Ingolstadt Ausschau  nach  Ersatz. „Wir sind  auf der Suche nach einem neuen Spieler“, bestätigte Trainer Doug Shedden am Sonntagabend.  Die Panther haben aktuell nur noch 13 Stürmer im Kader, und Routinier Petr Taticek spielt in Sheddens Planungen kaum noch eine Rolle. Sportdirektor Larry Mitchell weilte  am Wochenende auf einer –  schon länger geplanten – Scoutingtour in  Finnland. 

Als Grund für den Abgang des 26-jährigen Deutsch-Kanadiers Smith, der zu den Kölner Haien wechselte, nannte Shedden dessen Unzufriedenheit.  „Er meinte, er müsse eine größere Rolle  spielen, also ging er. Dann soll er uns gern haben.“  In der Saisonvorbereitung habe Smith alle Chancen erhalten, sich für einen Platz in den ersten beiden Sturmreihen zu empfehlen.  „Er war vom ersten Tag an gut, er hat viel im Powerplay gespielt, er war neben Kris Foucault der Nummer-eins-Center in  mehreren Testspielen. Dann hatten wir aber das Gefühl, dass er nicht zu den Top sechs,  sondern zu den Top neun zählt“, erläuterte Shedden weiter.    

Smith war am  Wochenende  bei den beiden 2:1-Siegen der Haie gegen Wolfsburg und  Krefeld bereits im Einsatz, konnte aber    kaum Akzente setzen und gab nur einen  Torschuss ab.  

Julia Pickl