München
"Der Süden fängt den Rest nicht mehr auf"

Bericht des Bundesinnenministeriums zu den Lebensverhältnissen in Deutschland verweist auf eine besorgniserregende Dreiteilung des Landes

14.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:27 Uhr
Bei der Vorstellung des Berichts (von links): Wolfgang-Günther Ewald vom bayerischen Agrarministerium, Landkreistagspräsident Christian Bernreiter, Moderator Holger Magel und Michael Frehse, Leiter der Heimatabteilung im Bundesinnenministerium. −Foto: oh

München (DK) Ältere erinnern sich vielleicht noch an die Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer.

Zu Beginn der 1990er Jahre war die FDP-Politikerin verantwortlich für das seither letzte Konzept der Bundesregierung zum Thema Raumplanung. Darin beschäftigte sich die Politik auch letztmalig losgelöst vom Thema Aufbau Ost mit den gleichwertigen Lebensverhältnissen in ganz Deutschland. Ein schweres Versäumnis, wie sich inzwischen zeigte.

Ändern sollte sich das erst wieder mit dem neuen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Der hatte zu Beginn des vergangenen Jahres in seinem Haus - orientiert am bayerischen Vorbild von 2013 - eine neue Abteilung "Heimat" installiert. Seehofer war dafür vor allem von der Opposition, aber auch vom Koalitionspartner SPD belächelt wurden.

Doch nun zeigt sich, dass die Abteilung vielleicht doch sinnvoll ist. Die vom Ministerium vor gut einem Jahr eingesetzte Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" legte jetzt ihren Abschlussbericht vor. In den Räumen der Hanns-Seidel-Stiftung in München wurde er erstmals öffentlich vorgestellt. Und das Ergebnis ist besorgniserregend. Wichtigste Aussage: "Über Jahre gab es in Deutschland keine aktive Strukturpolitik. Das rächt sich jetzt mit einer verfallenden Infrastruktur. "
In Deutschland verfestige sich bei der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und beim Lebensstandard eine Dreiteilung, erläuterte Michael Frehse, der Leiter der Heimatabteilung im Bundesinnenministerium: "Zuerst der Süden, bestehend aus Bayern und Baden-Württemberg, dann das restliche Gebiet der alten Bundesländer und zuletzt der Osten Deutschlands. " Aktuell drifte am meisten das Ruhrgebiet ab, erläuterte der Ministerialbeamte - wo mit acht Millionen Einwohnern immerhin jeder zehnte Bundesbürger wohne.

Dagegen vorzugehen, sei entscheidend für das Schicksal unseres Landes, so Frehse. Die Perspektive sei aber schlecht. "Der Süden fängt den Rest nicht mehr auf. " Im Klartext: Auch mit einer Steigerung des fast ausschließlich von den beiden Süd-Ländern gezahlten Länderfinanzausgleichs werden keine gleichwertigen Lebensverhältnisse mehr in Deutschland herzustellen sein.

Dazu sind in Bayern auch immer weniger Politiker bereit: Landkreistagspräsident Christian Bernreiter (CSU) etwa verweigert entschieden, dass Pleite-Kommunen mit dem Geld des Bundes entschuldet werden: "Wir sind barmherzig, aber nicht blöd", lautete sein Credo.

Zu den Forderungen von Seehofers Kommission gehört unter anderem, das Gießkannenprinzip bei der Förderung einzustellen. Geld dürfe es nur noch für wirklich benachteiligte Regionen geben - egal ob in Ost oder West. Auch müsse die Politik massiv gegen eine weitere Ausdehnung der ohnehin schon völlig überlasteten urbanen Räume vorgehen und deutlich die Ansiedlung von Firmen und Behörden im ländlichen Raum und kleineren Städten forcieren.

Andre Paul