Ingolstadt
Die Wirtschaft soll den Menschen dienen

Festakt "30 Jahre WFI": Gratulanten heben die gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaft hervor

14.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:27 Uhr
  −Foto: Schulte Strathaus /KU

Ingolstadt (DK) Die Franzosen und ihr nicht sehr stilvoller Feldherr brachten weder Kultur noch Bildung nach Ingolstadt, sondern Geistlosigkeit und Zerstörung.

Die bayerische Landesfestung kapitulierte im Juli 1799 kampflos, als Napoleons Revolutionstruppen anrückten. Der General ließ Wälle und Bastionen gründlich einebnen. Im Jahr darauf verfügte Bayerns Kurfürst Max IV. Joseph, die 1472 gegründete und lange bedeutende Hohe Schule in Ingolstadt nach Landshut zu verlegen. In Niederbayern blieb sie aber nur bis 1826; dann beorderte König Ludwig I. die Universität in seine Residenzstadt.

Für Ingolstadt begann nach dem französischen désastre die wohl trostloseste Ära der Stadthistorie. Arm, schmucklos, unbedeutend und arg entvölkert dümpelte die einstige Schanz so dahin. Der Bau der neuen, klassizistischen Festung unter Ludwig I. seit 1828 schwächte die Tristesse etwas ab. Im 20. Jahrhundert gelang schrittweise der Aufstieg zu einer Industriestadt von Rang; nur auf dem Feld der Wissenschaft blieb Ingolstadt weiterhin nicht der Rede wert.

Erst 1989 entfaltete sich dort wieder so etwas wie akademischer Geist - dank einer mildtätigen Gabe: Die Katholische Universität Eichstätt weihte in Ingolstadt ihre Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät ein: die WFI. Die Universität und ihre Dependance Auf der Schanz in Ingolstadt fanden über die Jahre so gut zusammen, dass der Name heute Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt lautet. Am Mittwoch wurde das 30-jährige Bestehen der WFI gefeiert. "Wir sind verdammt stolz auf diese Fakultät! ", sagte Bürgermeister Albert Wittmann. Er erinnerte daran, dass es das große Verdienst des Universitätspräsidenten Nikolaus Lobkowicz (im Amt von 1982 bis 1996; er starb im vergangenen September) und des damaligen Oberbürgermeisters Peter Schnell (im Publikum) gewesen sei, "dass Ingolstadt wieder zu einer Universitätsstadt geworden ist".

Mit bestem Ruf, wie er hervorhob: 1100 Studenten. Auf elf komme ein Dozent - "ein sehr gutes Verhältnis". Die WFI pflege Partnerschaften mit 90 Universitäten auf fünf Kontinenten und erreiche in Rankings Spitzenplätze. Wittmann: "Sie hat den Grundstein für Ingolstadts zweite Blüte als Hochschul- und Wissenschaftsstadt gelegt. "

Auch Universitätspräsidentin Gabriele Gien begann mit dem Satz: "Wir sind stolz auf Sie! " Und schickte ein viel zitiertes Wort von Papst Franziskus hinterher: "Diese Wirtschaft tötet. " Um so größer werde daher die Verantwortung der Wirtschaftswissenschaft, zumal an einer katholischen Universität, Antworten auf drängende Fragen der Zeit zu geben: "Was passiert mit der Gesellschaft? Wie sieht die Zukunft der Arbeit aus? " Und: Welche Beiträge zu Grundwerten, Ethik und Ökologie müsse die Wissenschaft angesichts einer Weltbevölkerung liefern, die täglich um 230000 Menschen wächst?

Prof. Peter-Felix Tropschuh, der Vorsitzende des Förderkreises der WFI, fokussierte ebenfalls deren hohe ethisch-soziale Verantwortung für die Wirtschaft wie die Gesellschaft. Er warb leidenschaftlich für eine Mitgliedschaft in dem Förderverein, der sich jetzt eine stärkere Unterstützung der Studenten vorgenommen habe.

Tropschuh schloss mit einer Vision: Auf den Ortsschildern möge bald "Universitätsstadt Ingolstadt" stehen. "Es wäre schön, wenn wir das hinbekommen - ohne dass die Technische Hochschule beleidigt ist oder sich deklassiert fühlt. "

Prof. Anton Burger, der Dekan der WFI, bewies, dass seine Fakultät fest im wirklichen Leben steht - mit klarem Blick in die Abgründe der Welt. Er erkennt eine "doppelte Krise": die Erderwärmung und die heftige Kritik am Kapitalismus. "Proteste gegen die Wirtschaft sind zur Modeerscheinung geworden. " Bewegungen wie Occupy Wall Street, Extinction Rebellion und Fridays for Future "lassen den Glauben an eine andere Welt aufleben, auch an eine andere ökonomische Welt". Dem müsse die Wirtschaftswissenschaft ihre Stärken und Werte entgegensetzen: Kritisches Hinterfragen. "Sich mit allem fundiert auseinandersetzen. " Und nicht zuletzt "die Charakterbildung der Studierenden", damit sie sich des von ihnen geforderten "Handlungsethos bewusst werden". Angesichts der Armut weltweit laute die oberste Maxime: "Die Wirtschaft soll eine Dienerin der Menschen sein. "

Katharina Hartinger moderierte den Festakt. Musikalisch gestaltet wurde er von dem schwungvollen Saxofon-Quartett 4phones mit Annette Eisenmann, Verena Gutsche, Uwe Huchler und Simon Woll.

Der schwäbische Unternehmensberater Hans-Georg Häusel hielt einen espritvollen Festvortrag. Er drang mit den Methoden der Hirnforschung tief in die menschliche Psyche vor und spürte den "unbewussten Seiten des Unternehmenserfolges" nach. Er lehrt: Rationalität ist nicht das Gegenteil von Emotionalität! Alles, was wir bewusst oder instinktiv tun, hängt von Emotionen ab. Da sei die Ökonomie keine Ausnahme.

Christian Silvester