Ingolstadt
Der schwerste Brand der 60er-Jahre

Vor einem halben Jahrhundert entzündeten sich Schaumstoff- und Gummiteile bei Audi - 160 Feuerwehrleute im Einsatz

30.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:23 Uhr
Schwarze Rauchschwaden über Ingolstadt: Schaden in Millionenhöhe verursachte vor einem halben Jahrhundert ein Brand bei Audi. −Foto: Audi

Ingolstadt (DK) Es war der größte Brand der gesamten 60er-Jahre in Ingolstadt: In der damaligen "Südmanufaktur" von Audi brach vor einem halben Jahrhundert ein riesiges Feuer aus.

Es entstand ein Schaden von drei Millionen Mark, verletzt wurde jedoch niemand.

Rudolf Vierheilig war damals der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Ingolstadt (die Berufsfeuerwehr gab es damals noch nicht). "Ich habe sofort gemerkt, dass das eine größere Geschichte ist", erinnert sich der 89-Jährige, der in seiner 20-jährigen Dienstzeit einige größere Einsätze erlebt hat. "Der Kommandant der Werkfeuerwehr der Auto Union, Alfred Blomeier, ist auf mich zugekommen. Ich hab' dann sofort per Funk den Großalarm ausrufen lassen. " Die Stadtpolizei Ingolstadt und acht Feuerwehren, darunter die der Raffinerien und vom Flugplatz Manching, waren schließlich mit 160 Mann und 27 Fahrzeugen im Einsatz. Es war "die bis dahin größte Bewährungsprobe" der Audi-Werksfeuerwehr, so Kommandant Josef Schweiger in seiner Chronik zum 50-jährigen Bestehen der Audi-Werksfeuerwehr.

Rückblick: Es war um 9.15 Uhr an diesem 29. August, als nach einem zeitgenössischen DK-Bericht der 32-jährige Willibald Schmailzl am Audi-Werktelefon Alarm auslöste. ",Ich habe gerade in der Schaumgummilagerhalle eine Rauchwolke gesehen", rief er in den Hörer. Wenige Minuten später schlugen aus der Halle C meterhohe Flammen. Die Situation spitzte sich innerhalb kürzester Zeit dramatisch zu, lag doch ein Heizöltank nur wenige Meter neben dem Brandherd. Innerhalb kürzester Zeit rasten zahlreiche 150 Feuerwehrleute zur Audi. "Wir waren damals noch eine starke Wehr in der alten Wache", erinnert sich Rudolf Vierheilig.

Von der heutigen Volkshochschule aus kämpften sie sich durch verstopfte Straßen, denn mehr als 1000 Neugierige blockierten die Straßen zum Werksgelände an der Ettinger Straße. Die halbe Stadt war nach zeitgenössischen Schilderungen auf den Beinen, um Zeuge des größten Brandes des Jahrzehnts in Ingolstadt zu werden. Weit kamen die Leute nicht: Die Stadtpolizei hatte die Zufahrten zur Auto Union abgesperrt.

Kurz nach 9.30 Uhr lag an diesem Freitag vor 50 Jahren dicker, schwarzer Rauch über dem Nordosten der Stadt, angetrieben von Windböen. Aus Wasserwerfern schossen Tausende Liter Wasser pro Minute auf das Flammenmeer. Unter der Leitung von Rudolf Vierheilig wurde die Einsatzstelle in drei Einsatzabschnitte unterteilt. Während die nordöstliche Seite die Werksfeuerwehr der Auto Union übernommen hatte, wurde dem stellvertretenden Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr, Georg Beckenbauer, der nordwestliche Abschnitt übertragen. Vierheilig selbst übernahm die gesamte Länge des südlichen Teils der Halle. "Wir haben versucht, das Feuer von allen Seiten unter Kontrolle zu bringen", erzählt er.

Die Löscharbeiten konzentrierten sich zu diesem Zeitpunkt ausschließlich auf die Halle C, wo Schaumstoff und Gummiteile für die Autopolsterung gelagert waren. Kaum war ein Brandherd gelöscht, flackerte ein neuer auf. Beim Verbrennen des Kunststoffs traten zudem giftige Gase aus. "Die Polstermaterialien waren auch der Grund für die große schwarze Rauchwolke", weiß Vierheilig noch wie heute. Das größte Problem war aber nicht die Hitze, sondern dass er und seine Männer nicht richtig rankamen. "Die Polster waren nicht zugänglich, die waren mit einem Drahtgitter gesichert. Wir mussten von außen löschen. "

Zwei, drei Stunden dauerte seinen Erinnerungen nach die kritische Phase. Gegen Mittag war der Brand unter Kontrolle. Die Lagerhalle C war zwar durch das Löschwasser stark beschädigt, aber den Rettungskräften war es gelungen, eine Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Die Produktion konnte übrigens anschließend weiterlaufen.

Auch Ingolstadts Oberbürgermeister Otto Stinglwagner war vor Ort, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Gegen 14 Uhr berief Betriebsratsvorsitzender Fritz Böhm eine Sitzung ein und organisierte Trupps zum Aufräumen. Der Großbrand in der Südmanufaktur blieb der einzige Großbrand bei Audi mit solch verheerenden Folgen.
 

Bernhard Pehl