Eichstätt
Der Pony-Pfarrer von Weißenkirchen

Günther Schmid ist der Seelsorger der Pfarrei Zur Heiligen Familie – Nebenher züchtet er Shetlandponys

08.10.2012 | Stand 03.12.2020, 0:59 Uhr

Prominenter geht’s kaum bei einer Ehrung in der bayerischen Landwirtschaft: Das Bild zeigt von links Ministerpräsident Horst Seehofer, den Ponyzüchter und Pfarrer Günther Schmid, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, Bauernpräsident Walter Heidl, den Präsidenten des Hauptverbands zur Förderung der tierischen Veredelung in Bayern, Siegfried Schütz, und Landesbäuerin Anneliese Göller. - Foto: Schmalz (Ministerium)

Eichstätt/Weißenkirchen (EK) Es gibt Pfarrer, auch Bischöfe, die sich einen Hund zulegen, auf dass er ihnen bei gelegentlicher Einsamkeit Beistand leistet. Und es gibt Pfarrer Günther Schmid, der in Eichstätt die Pfarrei Zur Heiligen Familie leitet. Einen Hund hat er nicht. Aber dafür eine knapp zwanzigköpfige Herde von Shetlandponys.

Schmidt macht kein großes Trara um sein ungewöhnliches Hobby – und so kam es etwas überraschend, als das Bayerische Landwirtschaftsministerium vor wenigen Tagen ein Foto an die bayerischen Zeitungen verschickte. Da stand ein gewisser Günther Schmid „aus Adelschlag“ beim Zentrallandwirtschaftsfest neben dem Ministerpräsidenten Horst Seehofer, dem Landwirtschaftsminister, dem Bauernverbandspräsidenten, der Landesbäuerin und dem Präsidenten der bayerischen Tierzüchter. Ein Herr mit dunklem Anzug, und dieser, so meldete das Ministerium, habe Bayerns bestes Freizeitpony gezüchtet, gemeinsam mit seinem Vater Georg. Günther Schmid? Genau: der Pfarrer aus Eichstätt.

Man trifft sich am Pfarrhaus der Heiligen Familie, gleich neben der Bereitschaftspolizei. Vor der ums Eck gelegenen Autogarage steht ein Pferdeanhänger. In der Garage selbst liegen ein paar Sattel herum. „Die sind noch von einem Pfarrfest. Da habe ich hier für die Kinder eine kleine Koppel aufgebaut und Ponyreiten angeboten“, erklärt der Pfarrer. Man steigt ins Auto: Im offenen Handschuhfach liegen einträchtig eine Tierarztrechnung und ein Gotteslob.

Die Ponys stehen auf einer Koppel südlich des Dörfchens Weißenkirchen, gleich hinter Eichstätt auf der Höhe Richtung Adelschlag. Schmid stammt aus Weißenkirchen, aus einem winzigen Nebenerwerbshof. Er besuchte das Willibald-Gymnasium, machte 1975 sein Abitur, absolvierte den Zivildienst und studierte dann in Weihenstephan Agraringenieur. Priester zu werden – das kam ihm nicht in den Sinn. Stattdessen interessierte er sich immer sehr für die Natur, für Pferde, konkret für Ponys. Sein jüngerer Bruder hatte eines geschenkt bekommen, war abgeworfen worden und hatte das Tier prompt an Günther abgegeben. Das war der Startschuss.

Schmid arbeitete erst bei Audi am Band, dann erhielt er eine Anstellung in München, die ihm wie auf den Leib geschneidert war: beim Verband für Kleinpferde und Spezialpferderassen in München. Das Hobby war zum Beruf geworden. Und in der Freizeit, daheim in Weißenkirchen züchtete er zusammen mit dem Vater Shetlandponys, von Anfang an mit großem Erfolg.

So hätte das nun bis zur Rente gehen können, wenn da nicht im Laufe der Jahre etwas Seltsames geschehen wäre: Günther Schmid spürte tief in sich den Ruf, Priester zu werden. „Da war wirklich diese Berufung Gottes“, erzählt er. „Das ging mit 40 Jahren los, aber man sagt sich: Was spinnst jetzt wieder zamm? Aber der Ruf ist immer stärker geworden.“

Und so warf der heute 59-Jährige tatsächlich sein ganzes Leben noch einmal um: Er ging ins Eichstätter Priesterseminar, studierte Theologie, wurde 2005 zum Priester geweiht. Und er entschied sich, seine geliebte Ponyherde zu verkaufen. Zwei Tiere, immerhin, stellte er bei Bekannten in der Nähe von Monheim unter. Nach Kaplansjahren in verschiedenen Pfarreien wurde Günther Schmid 2008 Pfarrer in Eichstätt, erhielt die 2500-Seelen-Pfarrei Zur Heiligen Familie. Und Weißenkirchen lag auf einmal wieder direkt vor der Haustüre.

Nach einigem Überlegen holte der neue Pfarrer die beiden verbliebenen Ponys wieder zurück. Die Zucht mit Shetlandponys begann aufs Neue und knüpfte an die früheren Erfolge an. Die Hauptarbeit, das ist dem Pfarrer wichtig, liegt beim knapp 80-jährigen Vater, und die Verwandtschaft hilft nach Kräften mit. Sonst ginge es nicht. Für alle Fragen der Zucht aber ist Günther Schmid verantwortlich. Und an ihm liegt es, dass das Shetlandponygestüt mit dem Namen „Isaron“ so bekannt ist. Seit Jahren schon gehört „Isaron“ unter den rund 200 bayerischen Shetlandponygestüten zu den besten. Günther und Georg Schmid sind bei den großen, nur alle vier Jahre stattfindenden Prämierungen Stammgäste. Auch jetzt beim Zentrallandwirtschaftsfest neben dem Münchner Oktoberfest waren sie gleich mit zwei Ponys erfolgreich: Shetlandstute „Natalie“ wurde unter 170 Konkurrenten „Klassensieger“, ihre Stallkameradin „Isarons Juleika“ aus der extra gezüchteten Rasse des Deutschen Partbred Shetlandponys wurde gar zum Bayernsieger aller Freizeitponys gekürt. Das Gestüt von Weißenkirchen erhielt von Ministerpräsident Seehofer höchstpersönlich die staatliche Züchtermedaille in Gold. Und die Züchterkollegen scherzen dann gerne, so viel Erfolg sei kein Wunder: Pfarrer Schmid habe schließlich „höheren Beistand“.

Schmid weiß selbst nur zu gut, dass nicht jedermann begeistert ist, wenn der Herr Pfarrer Pferde züchtet: „Es gibt auch Kritiker, die sagen: Hat der nichts anderes zu tun“ Und er hat sich selbst schon manchmal gefragt, ob die Nachfolge Gottes für einen Priester nicht bedeute, sich von irdischen Dingen zu trennen, alles zurückzulassen. „Aber ob ich dadurch ein besserer Pfarrer werde“ Jedenfalls spürt Schmid, dass ihm die Ponys gut tun. „Aber es ist für mich wahnsinnig entspannend, mit den Tieren zusammen zu sein. „Das ist halt mein Hobby. Ein anderer geht zum Bergsteigen oder fährt in Urlaub. Für mich sind die Pferde mehr Erholung, als wenn ich reise.“ Und wenn er draußen ist bei seiner Koppel – zumindest ein Mal täglich schaut er nach dem Rechten – ist das auch die Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen bei den extrem sanftmütigen Ponys. „Ich war früher oft recht aufbrausend, aber ich bin schon besser geworden“, gesteht Schmid. „Wenn mich etwas bis zur Weißglut ärgert, dann fahre ich, wenn’s geht, raus zu den Ponys. Und dann ist alles vergessen.“ Der Kontakt mit den Pferden sei immer ein Auftanken: „Für mich bringt die Natur auch die Kraft, meinen Dienst als Pfarrer zu tun.“

So wie neulich: Da hatte Pfarrer Schmid den halben Nachmittag am Schreibtisch an seiner Sonntagspredigt gefeilt. Danach fuhr er nach Weißenkirchen und mistete den Stall aus. Am Ende der rustikalen Aktion warf er die ganze Predigt über den Haufen und hielt frei eine ganz andere Ansprache. Und die muss, so entnahm Schmid den Reaktionen der Gläubigen, eine der besseren gewesen sein.