Der Nahostkonflikt für Anfänger

20.11.2009 | Stand 03.12.2020, 4:28 Uhr

Das ist Indonesien hier: Michael Büchl aus Lenting vertrat das asiatische Land bei der großen Uno-Simulation im Saal der New Yorker Generalversammlung an der Seite seiner Teamkollegin Yael Kellermann, die wie er in München Politologie studiert. - Foto: kx

Ingolstadt (DK) "National Model United Nations" heißt das größte Politik-Planspiel der Welt: 3000 junge Leute aus 192 Ländern simulieren in New York in der Rolle von Diplomaten realitätsnah die Arbeit der Uno. Einer von ihnen ist Michael Büchl aus Lenting. Derzeit bereitet sich der Student auf die nächste Konferenz vor.

Schon am zweiten Tag gerät der Nordkoreaner außer Kontrolle. Missachtet sämtliche Gepflogenheiten, bis dass den Diplomaten staunend der Mund offen steht. Spielt doch plötzlich einfach den netten Partner von nebenan, den Freund aller Völker, aufgeschlossen, liberal, kooperativ und überhaupt total nett. – Ein echter Nordkoreaner zu sein, geht in UN-Kreisen eigentlich anders. Weniger nett.

Lenting – New York

Es ist zwar nur ein Planspiel, das die Schüler und Studenten aus aller Welt jedes Jahr in New York bestreiten, allerdings eines, das sich nah an den realen Rollen der unter dem Dach der Vereinten Nationen versammelten Staaten orientiert. "Da irritiert es natürlich schon, wenn Nordkorea plötzlich den Mustermann gibt", erklärt Michael Büchl, 21 Jahre alt, aus Lenting. Der Absolvent des Katharinen- Gymnasiums studiert seit zwei Jahren in München Politologie und Völkerrecht. Derzeit bereitet er sich auf die nächste Konferenz in New York vor: mit einer kleinen, feinen Sicherheitsrat-Simulation in Magdeburg.

Büchl kann es sich vorstellen, einmal dem Auswärtigen Amt zu dienen. Oder der Uno. "Das wäre wirklich ein Traum!" Und mit der geballten rhetorischen Zurückhaltung eines angehenden Diplomaten ergänzt er an die Adresse Nordkoreas gerichtet: "Spieltechnisch war der unerwartete Rollenwechsel sicher interessant, aber wenn ein Teilnehmer eine Woche lang von keinem ernst genommen wird, ist das auch kein Spaß."

Denn Spaß steht zweifellos nicht auf der Agenda, wenn die 3000 jungen Leute aus 192 Ländern eng ans Vorbild angelehnt die Arbeit der Gesandten in den Gremien der Uno simulieren. Da geht es eher um Menschenrechtsverletzungen, Hungerkatastrophen, Atomwaffen, Kindersoldaten, den Nahostkonflikt, bilaterale Anbandelungen, multinationale Sanktionen und andere Klassiker des diplomatischen Diskurses. Wie im richtigen Leben eben. Daher schreiten die jungen Delegierten, die nach der Eröffnungszeremonie im Saal der UN-Generalversammlung in einem Hotel am Times Square tagen, mit gebotenem Ernst zur Tat. "Es ist das Ziel, dass jeder die Interessen des Landes, das er vertritt, möglichst realistisch verfolgt."

Hier beginnt die delikateste Herausforderung, denn in den National Model United Nations wirbeln die Staatszugehörigkeiten nur so durcheinander. Kroaten spielen Ägypter, Norweger versuchen sich als Vietnamesen, und das 15-köpfige Politologenteam von der Universität München bekam beim jüngsten Planspiel die Rolle Indonesiens zugelost. "Das war schwierig, weil das Land nicht so bekannt ist", erzählt Büchl, den Pakistan eigentlich mehr interessiert hätte. Aber gut, es hätte auch Swasiland sein können.

Netterweise wurden die bayerischen Repräsentanten des asiatischen Landes in der New Yorker Vertretung Indonesiens empfangen, wo echte Diplomaten dem Nachwuchs darlegten, wie ihre Nation die Welt sieht.

Derart geschult, gab der junge Lentinger überzeugend den Indonesier und ging im UN-Sicherheitsrat die Friedensverhandlungen für den Nahen Osten entsprechend flockig an (im Übrigen alles auf Englisch, wie es bei der Uno Usus ist). "Als größtes muslimisches Land der Erde eignet sich Indonesien dafür gut als Moderator."

Präsident am Katherl

Büchl wirkt lieber als Unterhändler im Hintergrund. Große Auftritte vor der Generalversammlung liegen ihm weniger. Dabei hat er schon erfolgreich im Rampenlicht repräsentiert: Bei den pädagogisch wertvollen Simulationen des Europäischen Parlaments, mit denen sich das Katharinen-Gymnasium hervortut, wurde er jahrelang zum Vorsitzenden gewählt und durfte den immer gleichen Alterspräsidenten ablösen: Direktor Reinhard Kammermayer.

Auch so können also Diplomatenkarrieren ihren Anfang nehmen. Zwei Jahre nach dem Abitur verfolgt Michael Büchl seinen Weg ins diplomatische Corps bereits mit bemerkenswerter Konsequenz. So ist ihm zur peinlichen Ansage des Guido Westerwelle an einen Korrespondenten der BBC ("Das ist Deutschland hier!") keine einzige kritische Silbe zu entlocken. Nur ebenso vollmundige wie vollendete Diplomatie: "Im Auswärtigen Amt wird Westerwelle einen effizienten Apparat vorfinden, der ihn als Außenminister optimal auf internationale Auftritte vorbereitet."

So spricht ein 21-Jähriger! Jedoch einer mit unübersehbarem Talent für den Botschaftsdienst. Immerhin: Bei Italiens Ministerpräsident, dessen Auftritte ziemlich das Gegenteil aller politischen Kulturtechniken offenbaren, fällt selbst Michael Büchl keine Formulierung ein, die das Schlimmste verklausuliert. "Berlusconi und seine eigene Wahrnehmung sind zwei paar Stiefel. An dem beißt sich jeder Diplomat die Zähne aus."