Ingolstadt
Der Macho von nebenan

Rüdiger Hoffmann unterhält mit Quatsch und musikalischer Qualität

09.02.2014 | Stand 02.12.2020, 23:06 Uhr

Macht auf naiv-dreist: Comedian und Musiker Rüdiger Hoffmann im neuen Programm - Foto: Woelke

Ingolstadt (DK) „Hallo erstmal“ beginnt Rüdiger Hoffmann am Freitagabend im nahezu ausverkauften Festsaal Ingolstadt sein neues Programm „Aprikosenmarmelade“. Wie anders auch hätte er beginnen sollen? Ist das doch seit den 90er Jahren, seit dem „Quatsch Comedy Club“ und bei Stefan Raab, sein Markenzeichen.

Anders als andere Comedians und Kabarettisten setzt der knapp 50-jährige Paderborner nicht auf Wortkaskaden, schnelle Wechsel oder Gedankensprünge. Vielmehr entwickelt er bedächtig seine unglaublichen Anekdoten aus dem Alltag, seziert er menschliches Verhalten und gibt seine Protagonisten – auch seine eigene Bühnenfigur – der Lächerlichkeit preis. Und übertritt dabei oft, auch mal zu oft, Geschmacks- und Schmerzgrenzen.

An diesem Abend geht es zunächst um Paarbeziehungen. „Seine Susanne“, seine „Bekannte“, sei „ein „Pfundskerl“, die noch „gut in Schuss ist bis auf ein paar Gebrauchsspuren“, gibt er den freundlichen Macho, über den man noch lacht. Denn viele dieser Ansichten beherrschen den Alltag stereotyp und still. Es ist das „Neandertal“, das Rüdiger Hoffmann darstellt, das Festhalten an der angeblichen männlichen Überlegenheit („Männerhirne sind um zehn Prozent größer als die von Frauen.“) und an der Rollenverteilung (Frauen in der Höhle, also am Herd): Mit größter Selbstverständlichkeit muss sich seine Susanne um die alte Mutter im Pflegeheim kümmern. So hat er genügend Zeit, Bundesliga-Spiele anzusehen oder einen dreiwöchigen Männerurlaub zu verbringen. Und ist dann „zu Recht empört“, dass Susanne bei der Rückkehr vergessen hat, das Dosenbier kalt zu stellen! Das ist entlarvend und komisch.

Gut lachen ist auch bei den auf die Spitze getriebenen Pannen beim Wellness-Wochenende im Sauerland. Hofmanns Comedy-Kniff dabei ist der, dass dieser Macho nicht nur so ruhig auftritt, so sanft, naiv-dreist, und dazu noch einiges einstecken muss: von Kopfschmerzen nach der Klangschalen-Massage bis zu Verbrennungen durch Ohrenkerzen.

Schwieriger, weil unter die Gürtellinie gehend, sind seine Einlassungen über Olaf und Birte, dem Paar mit unerfülltem Kinderwunsch, das sich dafür in eine Reproduktionsklinik begibt. Ebenso grenzüberschreitend und ohne Niveau sind viele Details, wenn Rüdiger Hoffmanns Bühnenfigur mit den Kumpels unterwegs ist. Von Fäkalien bis Sex, von Fressen bis Erbrechen wird nichts ausgelassen auf eine Art und Weise, dass es wirklich gut ist, dass keine sehr jungen Zuschauer im Saal sind. Politische Korrektheit ist bei seinem Ablästern über Menschen und ihre Unzulänglichkeiten Fehlanzeige. Ein paar Unappetitlichkeiten weniger wären besser.

Schade, schließlich übt Rüdiger Hoffmann mit seinen als Kalauern daherkommenden Geschichten treffend Gesellschaftskritik. Seine Kritik am Katholizismus und an Erziehungsberechtigten lässt nichts zu wünschen übrig. Leider huscht er über Kritikwürdiges immer wieder zu schnell hinweg zugunsten der Zoten. Über die brüllt das Publikum vor Lachen, trägt Hoffmann doch alles mit stoischer Unschuldsmiene vor und gibt den treudoofen Macho.

Dabei legt er mit seinen Liedern – er begleitet sich selbst wunderbar am Klavier – den Finger in Wunden (das Lied von der harten Paderborner Jugend). Wie überhaupt seine Lieder und sein Klavierspiel gerne noch mehr Raum im Programm haben dürften. Dennoch ein überaus unterhaltsamer Abend.