Der lange Weg zum Bio-Siegel

Die Europäische Union ringt schon seit den 1990ern um einheitliche Regelungen

31.05.2013 | Stand 03.12.2020, 0:05 Uhr

Ein Etikett, zwei Siegel: Die Bio-Babynahrungsmittel des Pfaffenhofener Unternehmens Hipp tragen sowohl das eigene Hipp-Bio-Siegel als auch das EU-Bio-Logo.

Pfaffenhofen (DK) Manfred Plath kommt gerade von einer Dienstreise aus China zurück. Bei den Behörden in Fernost hat Plath, der beim Pfaffenhofener Babynahrungsmittelhersteller Hipp Leiter des Bereichs „Bio-Zertifizierung“ ist, eine Anerkennung des Hipp-Bio-Siegels erreicht. „Wir exportieren vor allem Babymilch nach China“, erklärt er. „Dort entsteht ein wachsender Markt für Bio-Produkte.“

Dass sich Hipp in Eigenregie um die Anerkennung seines Bio-Siegels kümmert, liegt daran, dass die Europäische Union in diesem Bereich nicht mit der Arbeit hinterher kommt. „In Brüssel herrscht Stau“, sagt Plath. „Die Kommission schafft jedes Jahr nur ein bis zwei Nicht-EU-Länder, wenn es um die gegenseitige Anerkennung von bio geht.“ Innerhalb der Grenzen der Europäischen Union ist es dagegen unkompliziert: Mit dem einheitlichen Logo wird auf einen Blick deutlich, welche Lebensmittel bio sind. Die Verbraucher können sicher sein, dass in diesen Produkten mindestens 95 Prozent der Rohstoffe aus ökologischem Anbau stammen. 
 Obwohl man in den vergangenen Jahren immer mehr von bio und öko gehört hat, ist die Thematik alles andere als neu. „Bio gibt es schon seit den 1920er Jahren“, berichtet Plath. „Später haben sich die Produzenten in Verbänden organisiert, die dann gewisse Standards für Lebensmittel formuliert haben.“ Seit 1991 ist das Thema bei der EU relevant. Die Mitgliedstaaten einigten sich im Jahr 2000 auf ein gemeinsames Siegel. Das Problem war jedoch, dass dieses alte EU-Siegel bei den Verbrauchern in Europa nicht gut ankam. Die ehemalige Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Bündnis 90 / Die Grünen) initiierte daraufhin 2001 das deutsche Bio-Siegel in Sechseckform. Es war von Anfang an inhaltlich mit dem EU-Logo identisch. 
 Seit 2010 gibt es nun das neue, hellgrüne EU-Bio-Logo. „Es ist aber nach wie vor erlaubt, andere Logos auf die Produkte zu drucken“, erklärt der promovierte Ernährungswissenschaftler Plath. „Deswegen hat Hipp auch noch sein eigenes Siegel, dessen Kriterien strenger sind als die der EU.“ Bei den Pestizidrückständen beispielsweise gelte im Gegensatz zur EU eine Null-Toleranz-Grenze. 
 Für Hipp, wo allein in Pfaffenhofen zwei Millionen Gläschen Babynahrung täglich hergestellt werden, ist die Bio-Regulierung auf EU-Ebene trotzdem ein Gewinn. Das Unternehmen exportiert in fast alle Länder der Europäischen Union. „Die Idee eines gemeinsamen Binnenmarkts, in dem europaweit dieselben Qualitätsstandards identisch gekennzeichnet werden, das ist ein großer Vorteil – für die Verbraucher und die Unternehmen.“ Es gebe keine Zollbeschränkungen, viel weniger bürokratischen Aufwand. „Wenn im Juli Kroatien, wo Hipp ein Werk hat, der Europäischen Union beitritt, wird für uns auf einen Schlag alles einfacher“, weiß Plath. „Das war bisher ein riesiger Papierkram, bis die Produkte in die EU eingeführt werden durften.“ 
 Aktuell wird in Brüssel über eine Neugestaltung der Bio-Regularien diskutiert. Anja Weisgerber (CSU), einzige bayerische Europa-Abgeordnete im für Verbraucherschutz zuständigen ENVI-Ausschuss, plädiert vor allem für eine Verschärfung der Kontrollen. Die finden bisher einmal im Jahr unangekündigt statt. „Die geltende EU-Bio-Verordnung stellt eine gute Basis dar. Es gibt aber auch immer wieder schwarze Schafe, die die Arbeit von vielen in Frage stellen.“ Manfred Plath kann aus erster Hand von den Verhandlungen in Brüssel berichten. Er selbst hat schon vor der EU-Kommission gesprochen und war an diversen Diskussionen rund um bio beteiligt. „Es ist ein anstrengendes Prozedere, wenn alle EU-Länder einen Kompromiss suchen. Und das dauert dann manchmal Jahre.“ Dennoch sei er bis heute ein Fan des europäischen Gedankens geblieben. Und die Mühe lohne sich: Lebensmittel mit Bio-Siegel gehören zu den Produkten mit dem höchsten gesetzlich gesicherten lebensmittelrechtlichen Standard.