Dollnstein
Der lange Weg zum Bahnsteig

Elisabeth Eder bezweifelt Barrierefreiheit des Dollnsteiner Bahnhofs

02.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:14 Uhr

Nicht zu bewältigen sind für Elisabeth Eder aus Dollnstein die 51 Stufen der Unterführung zum gegenüberliegenden Bahnsteig – sie ist auf den Rollator angewiesen - Foto: ksm

Dollnstein (EK) Der Bahnhof in Dollnstein soll barrierefrei sein? Das können Elisabeth und Bernhard Eder nicht glauben. In einer Aufzählung der nicht barrierefreien Bahnhöfe zwischen Treuchtlingen und Ingolstadt kommt die Haltestelle ihres Heimatortes nicht vor. Warum nicht, fragt sich das Paar.

Die Erfahrung, die Elisabeth und Bernhard Eder gemacht haben, ist ganz und gar nicht barrierefrei. Das veranlasste die Eheleute, sich an unsere Zeitung zu wenden. Denn wollte man zynisch sein, sagt Bernhard Eder, könnte man meinen, die Bahn wolle nicht, dass seine Frau ihr Recht auf kostenloses Zugfahren, das ihr durch ihren Behindertenausweis zusteht, zu oft nutzt. Der Aufwand, den das Paar aus Dollnstein treiben muss, bis es am örtlichen Bahnhof in den Waggon gestiegen ist, raubt Zeit, ist lang und kostet Nerven. „Ich bin stark gehbehindert und auf den Rollator angewiesen“, erklärt Elisabeth Eder. Ohne die Hilfe ihres Mannes, der ihr entweder den Rollator die 51 Stufen der Unterführung hinab und hinauf trägt – das Standardmodell wiegt rund zehn Kilogramm – oder sie vom Nordsteig über die Bahnhof- und die Wellheimer Straße zum barrierefreien Zugangsweg zum Südsteig chauffiert, ginge es nicht. „Für mich heißt Barrierefreiheit, dass meine Frau das ohne Hilfe bewältigen kann“, sagt Bernhard Eder.

Es sei „Wahnsinn“, was Elisabeth Eder nach eigener Aussage bei jeder Zugreise erlebt. Eine Situation, die nach Meinung der 76-Jährigen für sie und andere Menschen mit eingeschränkter Mobilität – Senioren, Radler oder Mütter mit Kinderwagen – vermeidbar gewesen wäre, hätte man beim Bau der Unterführung 2007 ganz einfach zwei Aufzüge eingebaut. „Dass das nicht passiert ist, ist nicht nachvollziehbar. Überlegungen in diese Richtung hat es nämlich gegeben“, meint sie. Stattdessen gibt es seit 2011 einen barrierefreien Zugangsweg und an dessen Fuß zwei Parkplätze – die sich im Scheitelpunkt einer Kurve befinden, wie Elisabeth Eder beklagt. „Die Stellplätze sind so kurz, dass ich den Kofferraum nur öffnen kann, wenn ich auf der Straße stehe.“ Gefährlich, findet die Seniorin und bezeichnet die Gegebenheiten als „beispiellosen Schildbürgerstreich“.

Seitens der DB Station & Service AG wird der Dollnsteiner Bahnhof als barrierefrei eingestuft. „Er verfügt über zwei Außenbahnsteige, welche eine Höhe von 76 Zentimeter über Schienenoberkante sowie zu Steig eins einen höhengleichen Zugang und zu Steig zwei eine lange Rampe als Zuweg vorweisen“, teilt ein Bahnsprecher mit. Die Haltestelle erfülle damit die nötigen Kriterien. Die Überlegungen, gleich beim Bau der Unterführung 2007 einen Aufzug einzuplanen, bestätigt Dollnsteins Bürgermeister Wolfgang Roßkopf. „Die Gemeinde hatte das vorgeschlagen“, sagt er und stützt sich dabei auf die Aussagen seines Vorgängers, des damaligen Rathauschefs Hans Harrer. „Die Bahn lehnte das ab. Ein Aufzug sei zu anfällig für technische Defekte, hieß es“, erklärt Roßkopf.

Und ein weiterer Punkt habe in der Aufzug-Debatte eine Rolle gespielt, weiß der Bürgermeister: die Zusteigerzahlen. Laut Bahn gibt es in Dollnstein ein tägliches Fahrgastaufkommen von rund 280 Reisenden, das sei der Mittelwert der vergangenen fünf Jahre, so der Sprecher der Bahn. „Um eine Finanzierung des Bundes zu erhalten, auf welche die Bahn angewiesen ist, muss die Station mindestens 1000 Ein- und Aussteiger haben“, sagt er. Handlungsbedarf bestehe demnach nicht. Wollte die Gemeinde einen Lift nachrüsten, müsse sie pro Stück mit bis zu 400 000 Euro rechnen.

Die von der Gemeinde favorisierte Alternative, so Roßkopf, sei darum die Rampe gewesen. Eine Auffahrt für Autos plus Wendeplatte – wie Elisabeth Eder sie sich hätte vorstellen können – sei nie zur Debatte gestanden, erklärt er. 2011 wurde der barrierefreie Zugangsweg gebaut. Veranschlagt waren 100 000 Euro, letztlich geworden sind es 194 000 Euro, davon 63 800 Euro aus Zuschüssen über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. „Der Weg wurde von einem Behindertenbeauftragten der Regierung abgesegnet“, so der Rathauschef.

Ein anderes Problem, das Elisabeth Eder beschäftigt, hat indes keine alternative Lösung gefunden: Fahrkarten kann man in Dollnstein nur am Gleis Richtung Treuchtlingen lösen. „Wir hatten angeregt, auch auf der anderen Seite einen Automaten aufzustellen“, erklärt Roßkopf. Die Bahn lehnte ab, erneut aufgrund zu weniger Zusteiger. „Wirtschaftliche Gründe“, heißt es. „Man könne seine Fahrkarte auch im Zug lösen, lautete der Rat der Bahn damals“, so Roßkopf. In dieser Angelegenheit seien ihm die Hände gebunden, das falle nicht in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinde. Die Möglichkeit, eine Fahrkarte beim Schaffner zu kaufen, ist mittlerweile übrigens hinfällig. Wer ohne Ticket in den Regionalzug steigt, fährt schwarz.

Was er aber tun könne, um der Problematik zu begegnen, sei eine Erweiterung der Beschilderung, sagt Roßkopf. „Einer der beiden Stellplätze wird als Behindertenparkplatz gekennzeichnet, an der Wellheimer Straße und bei der Unterführung zur Bahnhofstraße sollen Schilder auf den Zugangsweg hinweisen“, erklärt er. Ob Tempo 30 in der Wellheimer Straße eine Lösung sei? „Die Gemeinde wird bei den zuständigen Behörden vorfühlen, ob man so die Situation entschärfen könnte“, kündigt Roßkopf an.

Elisabeth und Bernhard Eder indes sehen ohne Aufzug – zumindest für sich selbst – keine Besserung in dieser Angelegenheit kommen. „Bei der Qualität des Baus werden wir das nicht erleben. Wir werden nicht jünger“, sagt Bernhard Eder.