Ingolstadt
"Der Kampf lohnt!"

06.12.2009 | Stand 03.12.2020, 4:26 Uhr

Ingolstadt (sic) Letzthin hatte er es mal wieder mit einer ganz eigentümlichen Erscheinungsform des angelsächsischen Liberalismus zu tun. Nach einem Vortrag in England wollten Zuhörer von Gerhart Baum wissen, "wieso die Deutschen mit den Grundrechten denn gar so pingelig sind". Da fragten sie den Richtigen, denn nicht viele verteidigen die Verfassung derart kompromisslos wie der bislang letzte Bundesinnenminister der FDP.

Baums Antwort ließ dementsprechend an Schmiss nichts vermissen: "Ihr habt uns die Freiheit gebracht, und jetzt nehmen wir sie auch ernst!" Baum, der gestern als Ehrengast des Ingolstädter Tags der Menschenrechte im Theaterfoyer referierte, lieferte zahlreiche solcher Beispiele, die sein defensives Verhältnis gegenüber den Errungenschaften der Bürger- und Menschenrechtsbewegung beschreiben. Der 77-Jährige hat den Großen Lauschangriff bekämpft und ein Stück zurückgeschlagen, er zieht gegen die Online-Durchsuchung von Computern sowie die Vorratsdatenspeicherung zu Felde und ist auch sonst unbedingt abwehrbereit, sobald Grundrechte in Gefahr geraten.

"Die Herrschaft des Rechts", erstmals postuliert anno 1789 in der französischen Erklärung der Menschenrechte, interpretiert Baum, ein gelernter Jurist, als "Fortschritt, wie ihn die Menschheit noch nicht hatte". Der darin definierte Grundsatz, "dass sich der Mensch gegen Unrecht wehren und seine Grundrechte einklagen darf", sei eine Maxime mit Ewigkeitsgarantie. Die Würde des Menschen wertet Baum als "zentrales sittliches Prinzip", für das es weltweit zu streiten gelte.

Da kam Baum nicht umhin, eine der dunkelsten Stunden in seinem politischen Leben zu rekapitulieren: 1993 gehörte er der UN-Menschenrechtskommission an, die Hinweise darauf hatte, dass sich in Ruanda ein Völkermord anbahnt. Doch die Staatengemeinschaft reagierte nicht. "Diese Trägheit müssen wir überwinden!", forderte Baum. "Der Kampf lohnt!"

Und von mitreißender Energie beseelt, zählte er gute Gründe dafür auf: Diktaturen seien zusammengebrochen, Gewaltherrscher würden per Haftbefehl gesucht und vor den Internationalen Strafgerichtshof gebracht, den es früher nicht gab. "Das Thema Menschenrechte ist stärker geworden."

Mit Blick auf die USA stellte Baum klar: "Das Folterverbot ist notstandsfest. Es darf niemals, unter keinen Umständen gefoltert werden!" Auch für diesen Appell bekam der alte Liberale viel Applaus: "Die Menschenrechte dürfen niemals der Wirtschaft untergeordnet werden."