Ingolstadt
Der Elvis der Volksmusik

04.10.2013 | Stand 02.12.2020, 23:35 Uhr

Der Steirer Bua in Aktion: Andreas Gabalier ließ mit seinem „Volks-Rock-’n’-Roll“ die Saturnarena beben. - Foto: Fiedler

Ingolstadt (DK) Irgendwie waren die Dinge früher einfacher. Udo Jürgens versenkte seine Melancholie in griechischem Wein, Jürgen Drews nächtigte auf Agrarflächen und Howard Carpendale begab sich auf vergebliche Spurensuche am Strand. Zuordnung: Schlager.

Später gesellte sich die volkstümliche Musik mit Marianne und Michael, Patrick Lindner und Co. dazu, übernahm die Schlagerzielgruppe und überraschte die bis dato dahinsiechende Plattenindustrie mit millionenschweren Sensationsverkäufen.

Andreas Gabalier dagegen ist weder das eine noch das andere. Gabalier über Gabalier: „Ich mache Volks-Rock-’n’-Roll.“ Wer denkt, „Volk“ klingt irgendwie nach „viel“ – zumindest quantitativ – der liegt gold- beziehungsweise geldrichtig. Die Saturn-Arena in Ingolstadt ist seit Langem bis auf den letzten Platz ausverkauft, genau wie die meisten Konzerte der Deutschlandtournee, die am 8. November in der Olympiahalle in München enden wird.

Um die 5000 Konzertbesucher, zwei Drittel davon weiblichen Geschlechts, drängen sich dicht an dicht in der Ingolstädter Saturn-Arena. Die meisten tragen Tracht in Kombination mit rot-weiß karierten Tüchern. Auf der Bühne tobt derweil die Rampensau Andreas Gabalier. Die Frisur ist unter erheblichem Einsatz von Haarspray zur „amtlichen“ Rockabilly-Haartracht aufgetürmt, die Träger der Lederhose baumeln lasziv nach unten, während der Star aus der Steiermark – begleitet von Frauengekreisch – abwechselnd die alpenländische Adaption des Elvis’schen Hüftschwungs zelebriert oder breitbeinig auf der Bühne steht.

In der Hand hält er ein mit rot-weiß karierten Tüchern geschmücktes Geweih mit daran befestigtem Mikrofon. Es ist sein Markenzeichen. Wer an einen Marschallstab denkt, liegt richtig. Immerhin ist der Senkrechtstarter nach einem Auftritt im Musikantenstadl 2009 zum Chartstürmer förmlich durchmarschiert. „I sing a Liad für di“ ist dabei die wohl bekannteste Nummer. In musikalischer Hinsicht mischen sich volkstümliche Gene gerne auch mal mit dem Intro aus Roy Orbisons „Pretty Woman“ – oder ein irgendwie bekannter Refrain lässt die Halle erbeben. Ist das nicht . . .? Genau: Chuck Berrys „Johnny B. Goode“ taucht hier plötzlich als Steirer Bua in der Krachledernen auf. Ein kleiner Flügel fährt von unten auf die Bühne. Nicht in „steinwayschwarz“ oder „wohnzimmernussbaum“, sondern eher wie aus Kaminholz gezimmert zeigt sich das Instrument. So muss ein Flügel auf der Alm aussehen!

Daran schmachtet Gabalier und tausende Frauenherzen schmachten mit ihm. Auch wenn die Show bis ins kleinste Detail auf Wirktreffer zugeschneidert ist und so ziemlich alle Klischees bedient: Der Mann mit der prägnant rauen Stimme, die sicher durch jeden Bergwald trägt, ist ein Phänomen. Wer die schier umwerfende Stimmung in der Saturn-Arena erlebt hat, muss neugierig sein, welche Gipfel der Steirer Bua – dem man unbesehen glauben würde, dass er mit der Lederhose ins Bett geht – noch erstürmen wird.