Carl
Der "Cézanne des Altmühltals"

23.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:23 Uhr

Foto: Matthias Metzel

Carl Otto Müller, der "Cézanne des Altmühltals", gilt als der bedeutendste Maler, der im 20. Jahrhundert in Kipfenberg lebte und wirkte. Geboren am 28. Oktober 1901 als erstes von fünf Kindern in Coburg, verbrachte er seine Kindheit in Ernstthal am Rennsteig. Dort besaß die Familie eine Glasfabrik. Maler, Unternehmer, Kommunalpolitiker, Kunstschaffender und Kunstfunktionär - erst im Rückblick begreift man nach und nach, was alles hinter dem Kürzel C. O. steckt. Und was brachte ihn dazu, Künstler zu werden?

Als C. O. Müller geboren wird, orientiert sich die Bildende Kunst noch mehrheitlich an akademischen Traditionen. Seit der Erfindung der Fotografie hatte sich die Malerei aber von der Verpflichtung des bloßen Abbildens gelöst. Die Impressionisten und vor allem Cezanne waren zu Wegbereitern der Moderne geworden.

Müller bleibt zeitlebens, in guten und in schlechten Zeiten, in der Reihe derer, die am Gegenständlichen festhalten. Er reiht sich in die Tradition eines Cezannes ein. Bereits als Bub zeigt sich sein außerordentliches Talent. Er malt sehr früh schon, wird positiv gestärkt, erfährt erste Anerkennung in der Familie und wird gefördert. Von 1912 bis 1917 besucht er das Ernestinum in Coburg und genießt privaten Mal- und Zeichenunterricht bei dem Coburger Hofmaler Heinrich Höllein. Mit dem Umzug der Familie nach Grösdorf wechselt Müller an die (Ober-) Realschule nach Eichstätt und lernt den Kunstlehrer, Maler, Grafiker und Zeichner Franz Ermer kennen.

Nach seinem Schulabschluss 1918 geht Müller an die Staatliche Kunstgewerbeschule in München, wird Meisterschüler bei Robert Engels und lernt dort auch seine spätere Ehefrau Ilse Becker kennen. Sind zu Beginn des 20. Jahrhunderts Coburg und Kipfenberg keine Weltstädte, so blüht der C. O. in München regelrecht auf. Er unternimmt eine mehrmonatige Reise nach Florenz und in die Toskana, schreibt sich anschließend bei der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in München ein und besucht das Meisteratelier bei Professor Karl Caspar.

C. O. Müller war einer, der die Zwischentöne suchte. Er bewundert die Impressionisten und orientiert sich an den französischen Vertretern dieser Kunstrichtung. Er geht nach Paris. 1929 malt er den heiligen Sebastian, ein Schlüsselwerk in seinem Leben, das er im Glaspalast in München ausstellt. Die Art, wie dieser heilige Sebastian gemalt ist, lässt München aufhorchen. Müller bekommt das Angebot, dem Münchener Künstlerbund beizutreten, und wird sogleich Juror, später stellvertretender Vorsitzender der Münchner Künstlergenossenschaft. 1931 verbrennen im Glaspalast sieben seiner Bilder.

München und Schwabing war für Müller der Nabel der Welt. Er war ein Arbeitstier, zugleich aber den Freuden des Lebens zugetan. Die alljährlichen Faschingsfeste der Münchener Künstlergenossenschaft sind Höhepunkte im Jahreslauf der Münchener Kulturszene. Die Jahre in München bringen es mit sich, dass C. O. Müller mit seiner Frau in leitender Position bei den Dekorationen und den Kostümen beteiligt ist. Kipfenberg wird in den Nachkriegsjahren von dieser Erfahrung profitieren. Der Fasenickl aus dem Altmühltal wird von C. O. Müller in den Münchner Fasching eingeführt.

Ein großer Lebenseinschnitt war der Tod seines Vaters. C. O. Müller muss sein eigenes Geld verdienen. Und das tut er, indem er große Werbebilder für das Phoebus-Palast-Kino in München malt. Hier habe er das Porträtmalen gelernt, hat er später einmal gesagt.

Als Visionär erkennt er sehr früh, wohin das Dritte Reich führen wird. Mitte der 1930er Jahre gerät er in Auseinandersetzungen mit der nationalsozialistischen Kunstpolitik, kann aber weiterhin ausstellen. In seinen Münchner Jahren verbringt er alljährlich die Sommerwochen in Kipfenberg und malt unter anderem Landschaftsbilder rund um das Altmühltal. Er entwickelt in dieser Zeit einen Stil, mit dem er seine aufrechte Haltung beibehalten kann.

C. O. Müller ist zu dieser Zeit einer der wenigen deutschen Maler, die international anerkannt werden. 1941 wird er als Kriegsmaler zur Heeresgruppe von Manstein eingezogen und malt in Rumänien, Südrussland und auf der Krim, bis er nach einer Erkrankung entlassen wird. Hauptsächlich widmet er sich in dieser Zeit den Landschaften. Als er 1941 die "Kameradschaft der Künstler", die Malschule Heymann in der Münchner Türkenstraße, übernimmt, unterrichtet er Schüler, die an der Kunstakademie nicht aufgenommen werden. Nach Ausbombung des Maximilianeums nimmt er an den Ersatzausstellungen der Münchener Künstler teil, 1943 an der Ausstellung "Junge Kunst im Deutschen Reich" in Wien, die als "entartet" geschlossen wird. Zu Kriegsende wird sein Atelier in der Barer Straße schwer von Bomben getroffen. Daraufhin bezieht er ein Ausweichquartier in Kipfenberg. Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bleibt er der Maler mit grundsolider akademischer Ausbildung, der er immer war.

1945 wird er stellvertretender Landrat von Eichstätt und betätigt sich beim Wiederaufbau und Ausbau der elterlichen Glasfabrik in Grösdorf. Zwischen 1948 bis 1950 erbaut er sich in Grösdorf eine Villa mit Atelier nach dem Vorbild des Schlosses Pfünz. Der Bachlauf, der das Anwesen durchfließt, und zahlreiche Brunnengestaltungen bringen seine Freude an Wasser zum Ausdruck. Für seine Angelleidenschaft bietet die nahe Altmühl ideale Möglichkeiten.

1953 wird er Präsident der Neuen Münchener Künstlergenossenschaft und leitet wiederholt die Jahresausstellungen im Haus der Kunst. 1954 bis 1970 wirkt er als Organisator an allen international bedeutsamen Ausstellungen im Haus der Kunst mit. Er unternimmt in diesen Jahren zahlreiche Reisen nach Paris und nach Spanien.

Auch wenn C. O. Müller der "Cézanne des Altmühltals" genannt wird, hat er sich nie systematisch um den Stil des Provenzalen Paul Cézanne bemüht. Insbesondere Müllers Blumenstillleben und seine (Selbst-)Porträts sind jedoch von einer sinnlichen und - wohl durch den häufigen Spachtelauftrag verstärkten - atmosphärischen Dichte, die den Betrachter unweigerlich an die Bildsprache Cézannes erinnern.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ist er ein regional, national und international tätiger Juror, Kunstfunktionär und Ausstellungsmacher. Dabei ist Müller neuen künstlerischen Strömungen gegenüber immer offen, auch wenn er sich selbst in der kritischen Tradition einer "malerischen Malerei" stehen sah. Bemerkenswert ist seine Hinwendung zu Motiven seiner zweiten Heimat, dem Altmühljura. Diese setzt er künstlerisch, sowohl als Ölgemälde auf Leinwand und auch als Lithografien, um.

Anfang der 1960er-Jahre schart Müller interessierte Laien um sich und begibt sich mit ihnen im Altmühljura auf Motivsuche. Daraus entsteht die "Malschule C. O. Müller". Beliebte Motive sind die Kiefern auf dem Reisberg bei Gaimersheim, die Pfünzer Römerbrücke, der Dolomitsteinbruch von Wachenzell oder Schloss Arnsberg. Die bis heute stattfindende Kipfenberger Osterausstellung geht auf Präsentationen der Malschule Müllers zurück.

Werke von C. O. Müller waren jahrzehntelang Teil zahlreicher nationaler und internationaler Ausstellungen. Heute befinden sich viele seiner Gemälde und Grafiken in Privatsammlungen. Im Laufe seines Künstlerlebens durchlief die Wahl seiner Motive manchen Wandel. Müllers künstlerisches Lebenswerk umfasst etwa 800 Gemälde, Aquarelle und Graphiken.

Dass die Traditionsfigur der Kipfenberger Fastnacht, der Fasenickl, mit dem Künstler C. O. eine Verknüpfung eingehen würde, liegt in der Natur der Sache. In den 1950er-Jahren erwarb Müller einen "Nickl", den er gerne trug, ihn aber auch oft als Motiv für Gemälde nutzte. Seine Zeitgenossen verdanken ihm Kulissen und Ballsaalausstattungen. Faschingsfeste gehörten für C. O. Müller und seine Frau Ilse zu öffentlichen Veranstaltungen, ja Ereignissen, die sie gerne besuchten. Der Besuch Münchner Faschingsbälle war schon in den Vorkriegsjahren eine seiner Leidenschaften. Aktiv ist er bei zahlreichen Veranstaltungen als "Barmixer".

C. O. Müller wurde vielfach geehrt, 1953 durch den Kunstpreis der Stadt München, 1959 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, 1966 mit dem Officier de l'ordre des Arts et des Lettres de la République Francaise und mit dem Bayerischen Verdienstorden. Auch die Ehrenbürgerwürde von Grösdorf und Kipfenberg wurde ihm verliehen.

Im Jahr 1970 kehrt C. O. Müller schwer erkrankt von seiner letzten Malreise aus Spanien zurück. Sein Leiden schwächt ihn zunehmend. Er stirbt am 28. Dezember 1970 und wird unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Friedhof in Grösdorf beigesetzt.

Kipfenberg tut gut daran, sich weiter mit seinem großen Künstler und Ehrenbürger zu beschäftigen. Mit der Jahres-Sonderausstellung "C.O. Müller - ein Künstlerleben", die in einer nie präsentierten Vielfalt das Werk zeigt, ehrt der Markt Kipfenberg Carl Otto Müller. Die Ausstellung ist während der normalen Öffnungszeiten im Römer und Bajuwaren Museum http:'www.bajuwaren-kipfenberg.de" class="more" rel="nofollow"%> auf Burg Kipfenberg zu sehen.