Neuburg
Der Captain nahm eine Neuburgerin mit nach USA

06.05.2010 | Stand 03.12.2020, 4:02 Uhr

1945 lag die einzige Neuburger Donaubrücke in Trümmern. Mühsam bauten US-Soldaten und Einheimische eine Ersatzbrücke.

Neuburg (r) Der Krieg war in Neuburg eigentlich vorbei, da stieg eine schwarze Rauchsäule über der Altstadt auf: Das Rathaus brannte lichterloh. Ein junger US-Soldat hatte in der Waffenkammer mit einer Panzerfaust hantiert und das Feuer verursacht. Die von Einheimischen abgelieferte Munition explodierte.

Ob der Amerikaner die Panzerfaust absichtlich auslöste oder aus Versehen, ist nie geklärt worden. Das Renaissance-Rathaus setzte die Firma Rucker 1947/48 in der Version instand, die heute noch besteht. 2011 will die Stadt das Baudenkmal grundlegend sanieren lassen.

Weitere negative Zwischenfälle dieser Art von den Besatzern bzw. Befreiern sind nicht dokumeniert. Der Kreis Neuburg gehörte als Detachement zur amerikanischen Besatzungszone. Neun Chefs der US-Militärregierung hatten vom April 1945 bis 1949 in Neuburg das Sagen. Der erste war (für fünf Tage) Captain Haver, später kam Captain Harald Teran. Der Captain verliebte sich in eine Neuburgerin und nahm sie 1949 mit nach Amerika: Gertrud Breidler. Das Paar aus Paxton in Massachusetts kommt regelmäßig auf Deutschlandbesuch zur Nichte Ursula Göbel ins Café am Schrannenplatz.

Mit Neuburger Dolmetschern ging das Military Government auf Nazi-Suche. Das geschah auch mit Fragebögen, von denen bis 400 pro Monat überprüft worden sind. Die Spruchkammer mit deutschen Parteivertretern arbeitete 40 000 Meldebögen durch. 1600 Betroffene sind letztlich als belastet, davon 34 als schwer belastet, eingestuft worden.

Bürgermeister standen besonders im Blickpunkt. Von 86 im Kreis Neuburg betrachteten die Amerikaner nur sieben als "Nazis". Bis 22. Juni 1945 stellte die Militärregierung aber doch 54 Bürgermeister außer Dienst. Neuburgs Bürgermeister und Kreisleiter Anton Mündler nahm sich in Augsburg das Leben.

Wittmann und Panzer

Den Stadtbeamten Oskar Wittmann bestimmten die Amis direkt nach der Einnahme zum Bürgermeister, entließen ihn aber später wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP. In den 50er Jahren wählten die Neuburger den beliebten Oskar Wittmann doch noch zum Oberbürgermeister. Als Landrat agierte bis September 1945 Felix Brandl. Danach kam Dr. Friedrich Panzer, der eine führende Rolle bei der Entnazifierung spielte. Als Polizeichef setzte die Militärregierung in Neuburg Wilhelm Heldwein ein, ab Ende Juni Walter von Hellingrath. Die Landpolizei bildeten 17 Beamte – mit Waffen, aber ohne Autos.

In die Auerbachdrogerie stürmten US-Boys auf der Suche nach brauchbaren Artikel. "Ich habe sie auf Englisch anhgeschrien", erinnert sich Erika Munzinger (87), geborene Auerbach. Die Amerikaner verpflichteten sei daraufhin als Dolmetscherin. In der Drogerie ließen sie regelmäßig ihre Filme entwickeln. Und man kam gut miteinander aus.

Kaffee für 1000 Mark

Der Kampf ums tägliche Brot traf besonders Familien. Fleisch, Brot und Eier von Bauernhöfen der Umgebung galten als Währung. Ein "reger Schwarzmarkthandel" ist für Neuburg dokumentiert. Erst nach der Währungsreform 1948 normalisierte sich die Versorgung langsam. Die Preise für ein Kilo Kaffee sanken von 1000 Reichsmark auf 16 Deutsche Mark, für Fleisch von 100 Reichsmark auf fünf DM und für Butter von 150 Reichsmark auf zehn DM.

Der Flüchtlingsstrom der Heimatvertriebenen ließ die Einwohnerzahl Neuburgs von 9800 (1939) auf 15 300 (1949) sprunghaft ansteigen. Viele Sudetendeutsche etwa aus Gablonz, Odrau oder Budweis landeten in Neuburg – und sind geblieben. Aus der Neugründung Neugablonz in Neuburg ist leider nichts geworden, weil die Stadtpolitik keine Mehrheit dafür fand.