Der Antrag liest sich sehr schön, aber...

29.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:16 Uhr

Schrobenhausen (SZ) Bürgermeister Karlheinz Stephan (CSU) im Gespräch über die Stadthallendebatte und warum er gegen einen Neubau ist

Bürgermeister Stephan, wenn ein Bürgermeister sinngemäß sagt "Wenn der Stadtrat nichts zustande bringt, muss ich mir, die Mehrheit woanders suchen" und dann ein Bürgerbegehren initiiert, ist das zumindest unorthodox. Warum haben Sie sich denn im Vorfeld der Stadtratssitzung keine Mehrheit gesucht? Das ist doch das ureigenste politische Geschäft.

Karlheinz Stephan: Ich war im Vorfeld der Stadtratssitzung sogar sehr bemüht, eine Mehrheit zu finden, und das war auch gelungen. Wir hatten eine Woche vor der Sitzung eine knappe Mehrheit für die Minimalsanierung. Wenn dann, nach diesen Absprachen, Leute, die zuvor klare Aussagen getroffen haben, umfallen – und mir das erst am Tag der Sitzung zugetragen wird –, dann kann ich nicht mehr reagieren. Und genau das ist passiert.


Es gab Umfaller?

Stephan: So ist es.
 

Und daraufhin haben Sie gesagt: Wenn es so nicht geht, muss es anders gehen?

Stephan: Ich denke, das ist eine logische Schlussfolgerung. Wobei wir ja jetzt schon wieder eine ganz andere Situation haben – mit dem Antrag der 13 Stadträte, die sich nun für einen Neubau aussprechen. Das wird im Februar auf der Tagesordnung des Stadtrats stehen, falls es zulässig ist, dass der Stadtrat über dasselbe Thema ohne geänderte Voraussetzungen noch einmal abstimmt; das lassen wir gerade rechtsaufsichtlich prüfen. Schaun mer mal, ob die 13 dann alle da sind. 13 – das heißt: Ihre Stimme kommt nicht oben drauf? Stephan: Der Antrag liest sich ja sehr schön. Man denkt sich: Ja, wird schon irgendwie gehen. Tatsächlich halte ich einen Neubau in dieser Zeit ein gefährliches finanzpolitisches Wagnis.



Verfolgen Sie das Thema Bürgerbegehren weiter?

Stephan: Es wird auf alle Fälle Gespräche geben. Und der Ober sticht den Unter, und der Ober ist der Bürger. Der Stadtrat hat ja schon erleben müssen, dass seine Planungen vom Bürger ausgebremst worden sind.



Das würde bedeuten, es müsste ein Bürgerentscheid kommen, der sagt: Wir wollen keine neue Stadthalle.

Stephan: Stimmt. Wobei ich schon auch sehe, dass viele Bürger durchaus eine neue Stadthalle haben wollen. Aber es wird dann unsere Aufgabe sein, zu sagen: Okay, liebe Bürger, Ihr bekommt die Stadthalle, aber dann geht dieses und jenes eben nicht mehr.



Angenommen, es klappt für sechs Millionen Euro und Sie finanzieren das auf 20 Jahre, dann kostet das die Stadt 300 000 Euro pro Jahr, Zinsen müssen sie ja bis auf weiteres nicht bezahlen. Bei 40 Millionen Euro Haushalt klingt das nicht nach einem Drama.

Stephan: Das stimmt, aber wir haben ja schon neun Millionen Euro Schulden. Und wir wollen zwingend den Hochwasserschutz . . .



. . . der städtische Anteil soll bei rund fünf Millionen Euro liegen . . .

Stephan: (nickt) und wir brauchen dringend die Rathaussanierung. Dann gibt es eine breite Mehrheit für diverse Straßenbauprojekte. Die beiden Umgehungsstraßen. Die Feuerwehren melden Anforderungen an. Dann der soziale Wohnungsbau. . .



. . .der über das Kommunalunternehmen außerhalb des städtischen Haushalts abgewickelt wird.

Stephan: Richtig. Aber Wohnbauprojekte ziehen auch wieder infrastrukturelle Maßnahmen nach sich. Die kosten wieder Geld.



Wobei ja bei der Ausweisung neuer Wohngebiete auch eine Wertschöpfung passiert, Sie verkaufen die Grundstücke ja teurer, als sie sie einkaufen.

Stephan: Das klingt optimistisch. Sie brauchen aber nicht glauben, dass wir dabei viel verdienen können. Wir wollen ja neuen Baugrund günstig anbieten, sonst treiben wir ja die Immobilienpreise wieder in die Höhe. Und wenn tatsächlich ein bisschen was übrig bleibt – nach allen Unwägbarkeiten –, dann wird das bei Weitem nicht ausreichen, um den Infrastrukturbedarf damit zu finanzieren.



Sie stimmen aber zu, dass Sie angesichts der Niedrigzinsphase zurzeit extrem günstig finanzieren können, Kommunen bekommen Geld zurzeit nahezu zinsfrei.

Stephan: Das stimmt, aber tilgen müssen wir ja trotzdem. Und im Verwaltungshaushalt müssen wir erst einmal so viel erwirtschaften, dass wir eine Zuführung zum Vermögenshaushalt machen können, um Investitionen zu finanzieren. Und das ist heute nicht mehr einfach. Wir tappen gerade in eine fatale Falle. Wir haben nicht mehr die Situation wie noch vor ein paar Jahren, dass wir mehr Rücklagen als Schulden haben. Wir haben viel investiert, in den letzten Jahren.



Allein die Mittelschule und die Grundschule Mühlried waren zwei große Brocken.

Stephan: (nickt) . . . und wir konnten in die Rücklagen greifen, mussten uns aber nur moderat verschulden. Wir sind jetzt am Ende angelangt, wir haben keine Rücklagen mehr. Die Million, die noch da ist, haben wir eigentlich für den Hochwasserschutz reserviert. Das heißt: Alles, was wir jetzt investieren, werden wir fremdfinanzieren müssen. Das treibt den Schuldenstand schon in Höhen, die ich als Bürgermeister nicht mehr verantworten will.


Wobei Sie noch nicht überm Landesdurchschnitt sind.

Stephan: Das ist schon richtig. Aber mit den Investitionen, die anstehen, werden wir drüberkommen. Haben Sie denn noch Tafelsilber? Stephan: Ein Tafelsilber wäre die grüne Lunge in Mühlried gewesen. Das hätte uns rund eine halbe Million eingebracht. Aber die grüne Lunge soll ja erhalten werden. Ein anderes Tafelsilber ist das sogenannte alte Landratsamt, die Regensburger Straße 5. Aber da steht ja auch schon wieder ein Projekt an, das wir zusammen mit dem Landratsamt realisieren wollen und das uns Geld kosten wird – nämlich am ehemaligen Landwirtschaftsamt eine schmucke Außenstelle zu schaffen. Also: Tafelsilber? Ich sehe keines.



Das heißt: Je mehr Sie fremdfinanzieren, umso mehr Spielraum nehmen Sie der Stadt für die nächsten Jahre.

Stephan: Das ist genau die Glaubensfrage: Die 13, die diesen Antrag stellen, glauben, dass es geht. Der Kämmerer wird Ihnen was anderes erzählen. Und das Landratsamt, das unseren Haushalt genehmigen muss, wird uns das überdeutlich sagen.



Bleiben denn die Umgehungsstraßen in der Finanzplanung drin?

Stephan: Wohl nicht. Das Verfahren wird vor Gericht gehen, und das wird sich in die Länge ziehen. In den nächsten drei, vier Jahren geht da sicherlich nichts weiter, also fällt es aus dem relevanten Zeitraum für die Finanzplanung des Haushalts raus.



Wobei Sie die Umgehungsstraße für Schrobenhausen im Osten der Stadt zurzeit relativ günstig bekämen, wegen der niedrigen Zinsen, denn diese Maßnahme müssen Sie ja vor allem zwischenfinanzieren. Wenn Sie in Sonderbaulast gehen und das Projekt vorfinanzieren, bekommen Sie ja am Ende auch die Tilgung wieder zurück. 

Stephan: (nickt) Wenn wir denn soweit wären. Wir sind aber leider noch nicht so weit. Wir sind nah dran, aber wir werden erst in den Grunderwerb einsteigen, wenn die Klageverfahren zu unseren Gunsten ausgegangen sind. Aber das dauert mindestens drei Jahre. Aber soviel ist klar: Schrobenhausen braucht nicht nur eine Umgehungsstraße im Osten, sondern den Ring. Dazu stehe ich.


Sie haben also einiges vor, und das in einer Situation, wo Sie als Bürgermeister – und damit kommen wir zum Eingang unseres Gesprächs zurück – ein Thema mit dem Stadtrat haben, der ein problematisches Bild abgibt.

Stephan: Ich stehe dazu: Es gibt Umfaller, und wenn Aussagen nichts gelten, dann ist das problematisch. Heute wird einem dies zugesagt, morgen sieht es anders aus. Das ist Fakt.


Klingt kompliziert.

Stephan: Das ist es. Andererseits ist das ein durchaus spannender Prozess. Wir haben jetzt 13 Stadträte, die eine Mehrheit bilden. Andererseits muss man den Bürgern auch sagen: Wir blockieren uns mit diesem Projekt brutal für andere wichtige Projekte. Und wir laufen Gefahr, dass uns das Landratsamt den Haushalt nicht mehr genehmigt. Dann stehen wir da.



Wie geht es jetzt weiter?

Stephan: Es gibt jetzt Gespräche mit Bürgern wegen einer Bürgerinitiative, und dann warten wir rechtliche Prüfung des neuen Antrags durch die Kommunalaufsicht ab. Dann wissen wir mehr.