Ingolstadt
Das wird eng

21.09.2011 | Stand 03.12.2020, 2:23 Uhr

Ende im Gelände: Unvermittelt mündet der Radweg stadteinwärts in die Harderstraße. Auch wenn das viele Radfahrer nicht wissen oder einfach nicht beachten wollen – sie müssen hier auf die Vorfahrt des fließenden Verkehrs achten. Dieser junge Mann zeigt es vorbildlich - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Er kenne die Eindrücke nur zu gut, sagt Andreas Niklaus. Dann berichtet er von dem Erlebnis aus seinem Heimatort, von wo er jeden Tag nach Ingolstadt ans Landgericht pendelt.

Ein Stadtbus quetschte sich einst in einer engen Gasse an ihm vorbei. „Ich streifte fast die Wand und den Bus. Das ist mir also nicht unbekannt“, erzählt der Richter.
 
Am Vormittag des 18. April heuer in Ingolstadt war eine Begegnung von Bus und Bürger nicht ganz so glimpflich ausgegangen. Eine Fahrradfahrerin kollidierte auf der Harderstraße mit einem Stadtbus und stürzte. Sie zog sich unter anderem eine Platzwunde am Kopf zu. Das beschäftigt derzeit die Zivilkammer des Landgerichts unter Niklaus’ Vorsitz, da die Seniorin ein Schmerzensgeld von 8000 Euro von der Fahrerin der städtischen Tochterfirma IN-Bus haben möchte. Doch bei allem Verständnis und der persönlichen Erfahrung blieb dem Richter nur der Hinweis, dass die Radlerin eine Teilschuld an dem Sturz trägt. Das hängt mit dem Radweg zusammen.

Die Situation an der Unfallstelle gehört zum außergewöhnlichsten, was die Stadt an Trasse für Zweiräder zu bieten hat. Auf der Seite der AOK ist der Weg stadteinwärts zunächst durch einen Grünstreifen und Bäume von der Straße abgesetzt, um dann unvermittelt etwa auf Höhe der Esplanade in die Harderstraße zu münden. „So eine Konstellation habe ich noch nirgends gesehen“, sagt Niklaus. „Ich frage mich, wer so etwas geplant hat. Das führt ja geradezu zu solchen kritischen Situationen.“

Auch wenn das die Lage für die Radler erschwert, sie sich zudem den Hals beim Umsehen verrenken müssen, es spricht sie nicht davon frei, auf die Vorfahrt des Verkehrs auf der Harderstraße zu achten, so der Richter. „Vorfahrtsverletzung ist so etwas wie die Todsünde im Straßenverkehr. Der Radweg endet dort“, erinnert Niklaus. „Da gehört aber am besten ein Stoppschild hin.“

Franz Bäumler, der Verkehrssachbearbeiter der Polizeiinspektion, kennt die Stelle genau. „Also an Unfälle dort kann ich mich nicht erinnern“, sagt der Polizist, „aber ich weiß, dass es manchmal sehr eng zugeht.“ Das war am 18. April genau der Gedanke („Das wird eng“) von zwei Zeugen, die sahen, wie die Seniorin vom Radweg einbog und wohl urplötzlich den Bus neben sich entdeckte. „Sie hat sich erschreckt und ist ins Trudeln gekommen“, sagt ein Zeuge. „Ansonsten wäre sie wohl nicht gestürzt.“ Gebremst habe sie nicht, musste die Klägerin zugeben: „Ich bin ja kein Stuntman.“ Auch die Busfahrerin konnte und wollte nicht stark in die Eisen steigen. „Ich darf das gar nicht, ich hatte viele Leute an Bord, die hätten sich verletzt.“

Auf einen Kampf mit einem Bus würde er sich als Fußgänger oder Radler nicht einlassen, wandte sich Richter Niklaus an die Klägerin. In diese Richtung argumentiert auch Polizist Bäumler, der die Haltestellen für die Linien 10 und 11 an der Harderstraße als Gefahrenstellen sieht. „Notfalls muss man halt sein Fahrrad vorbeischieben.“ Gott sei Dank passiere nicht mehr, sagt Bäumler. Er will das Thema in der nächsten Sitzung der städtischen Unfallkommission mit den Vertretern der verschiedenen Behörden diskutieren. „Dass ein Radweg auf diese Art und Weise auf eine so stark befahrene Straße trifft, das kenne ich sonst im Stadtgebiet nicht“, sagt Bäumler. Er macht aber wenig Hoffnung: „Die Situation ist dort schwer zu entschärfen.“

Im Fall der verletzten Radlerin ging der Sturz zumindest glimpflich aus. „Das Wichtigste ist ja, dass die Dame wieder gesund geworden ist“, sagte einer der Zeugen des Unfalls. Die Frau wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch ein Schmerzensgeld bekommen. Wegen der Verpflichtung aus der Halterhaftung müsste das Busunternehmen beziehungsweise die Fahrerin beweisen, dass der Unfall unvermeidbar war. Das dürfte nicht gelingen. Wegen der mutmaßlichen Mitschuld der Radlerin schlug Richter Niklaus einen Kompromiss von nur mehr 1500 statt der 8000 Euro vor. Die Parteien beraten nun, ob sie den Vergleich annehmen.