Altmühlmünster
"Das war kein einfacher Weg"

Von der Idee zum Passionsspiel: Günther Schlagbauer erinnert sich an den Ursprung der beliebten Reihe

27.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:07 Uhr

Der Ideengeber und sein Werk: Der Deisinger Günther Schlagbauer, Begründer der Passionsspiele in Altmühlmünster, mit dem Modell der neuen Bühne. - Foto: Janda

Altmühlmünster (DK) "Machen Sie mal." So einfach soll die Anweisung gewesen sein, mit der vor mehr als 30 Jahren die wohl erfolgreichste und zugleich einfühlsamste Spielreihe der Region ihren Anfang nahm. Heute, unzählige Aufführungen später, ist sich Günther Schlagbauer als Begründer der Passionsspiele von Altmühlmünster sicher: "Das war kein einfacher Weg." Und doch würde er alles wieder so machen wie damals, Anfang der 1980er-Jahre, wie der Deisinger im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt.

In Schlagbauers Werkstatt mitten im Ort stapeln sich die Entwürfe. Vor einem großen Fenster liegen Styroporquader, die sich bald in Steine für das Bühnenbild verwandeln sollen. Der Geruch von frischer Farbe liegt in der Luft. Schlagbauer ist bereits voll in seinem Element, das Passionsspielfieber hat den Vollblutkünstler gepackt, so wie alle fünf Jahre. Seit Wochen tüftelt er mit Feuereifer an den Kulissen, in einer Ecke steht ein Modell der Bühne, mit der er und seine Mitstreiter die Geldgeber überzeugt haben. Denn für die zwingend erforderliche Neuausrichtung der Spielreihe und die damit verbundenen Investitionen braucht die Laiengruppe wichtige Fördermittel aus den Leader-Töpfen der Europäischen Union. Und mit dem Geld aus Brüssel steigt auch die Professionalität - vor und hinter den Kulissen.

Früher, so erinnert sich Schlagbauer, war die rührige Darstellerriege davon freilich meilenweit entfernt. Überhaupt hatte ein recht simples Ziel den Anfang dieser Erfolgsgeschichte eingeläutet. Vor mittlerweile rund 35 Jahren waren die Kirchenbänke in Altmühlmünster während der Gottesdienste derart spärlich besetzt, dass sich der Ortsgeistliche Dietmar Schindler hilfesuchend an die Mitglieder des Pfarrgemeinderats wandte. "Wir sollten die Leute wieder mehr für die Kirche begeistern", erzählt Schlagbauer, der dem Gremium damals angehörte. Die zündende Idee für die Lösung dieses Dilemmas kam dem vielfach talentierten Mann durch seine eigene Bühnenvergangenheit. Mitte der 1960er-Jahre war er als junger Bursche an den Passionsspielen der Kolpingfamilie in Riedenburg beteiligt gewesen. "Ich dachte mir dann, dass das für unsere Dorfgemeinschaft sicher auch nicht schlecht wäre", erinnert sich Schlagbauer, wohl wissend, dass dieser Wunsch längst Realität ist.

Der Zusammenhalt, das gemeinsame Ziel, das Hinfiebern auf die Premiere und vor allem das hohe Engagement, das die Menschen heute für ihr Passionsspiel an den Tag legen, begeistert den langjährigen Spielleiter immer wieder aufs Neue. "Von uns können manche Dörfer lernen", ist er deshalb überzeugt. Dieses Gemeinschaftsgefühl sei ohnehin stets einer der Hauptgründe gewesen, die Aufführungen alle paar Jahre aufs Neue anzugehen. Drei Generationen aus der Pfarrei stehen dabei gemeinsam auf der Bühne. Die erfahrenen Akteure wie etwa "Judas" Hans Hunner und Klemens Gabler würden den Nachwuchs an ihrem Wissensschatz teilhaben lassen, freut sich Schlagbauer, der auch an das enorme Engagement seiner Vorstandskollegen erinnert. "Unser Alois Diepold hat sich unglaublich für die Neuausrichtung engagiert und Lorenz Erl hat entscheidend zur Steigerung der Qualität beigetragen", nennt er zwei von vielen Mitstreitern.

Wenn sich die Nutzer bald auf der neuen Internetseite der Passionsspiele tummeln und der Kartenvorverkauf brummt, dann ist die Geschichte vom Leiden und Sterben Jesu Christi in Altmühlmünster endgültig im 21. Jahrhundert angekommen. Einfach zu erfüllen war dieser Traum Schlagbauers einst aber nicht. Ganz im Gegenteil: "Die Leute waren voller Skepsis", erinnert er sich. Selbst der damalige Pfarrer Schindler soll die Idee nur mit den eingangs zitierten Worten kommentiert haben. "Doch mein Ehrgeiz ist dadurch nur noch größer geworden." Rupert Knitl und Josef Meier zählten zu den Ersten, die sich von Schlagbauers Einfall anstecken ließen, und zogen bald mit ihm zusammen von Tür zu Tür, um für das Passionsspiel zu werben. "Bei den ersten Proben waren die ersten Probleme dann vergessen", sagt Schlagbauer und stellt als Zugezogener stolz fest: "Da habe ich gemerkt, dass das hier ganz besondere Leute sind."

Bühnen und Kostüme existierten freilich nur in seinem Kopf. Vorerst. Das Eine entstand in mühsamer Handwerksarbeit, das Andere lieh sich die Truppe im Residenztheater in München, eine Woche vor der Premiere - heutzutage ein Ding der Unmöglichkeit. Gleiches gilt für die Rollen, für die es damals noch keine Zweitbesetzung gab. Das änderte sich erst im Jahr darauf, als auf Initiative des Riedenburger Altlandrats Franz Lang mehrere Busse voller Zuschauer aus dem rheinland-pfälzischen Klotten zu den Aufführungen kamen. "Nach dieser Anreise wäre ein krankheitsbedingter Ausfall eine Katastrophe gewesen." Seit dieser Zeit gilt auch der Fünf-Jahres-Turnus, unterbrochen einzig in den 1990er-Jahren. Am mangelnden Interesse des Publikums liegt dieser Rhythmus jedoch nicht. Schon damals war der Ansturm auf die acht Aufführungen im ersten und die zehn im zweiten Jahr derart groß, dass ein Dutzend weiterer Termine kein Problem gewesen wäre.

Doch genau einem solchen Massenphänomen, einer Aufbauschung des Spiels und auch einer Modernisierung des biblischen Stoffs erteilen Schlagbauer und Co. ganz bewusst eine Absage. "Dieses Stück muss in der Kirche und in der Fastenzeit bleiben, das ist ja kein Lustspiel, sondern die Passion", stellt er klar. Stattdessen geht es den Einwohnern der kleinen Pfarrei darum, ihre Besucher zu bewegen, ihnen etwas mitzugeben in der besinnlichen Zeit zwischen Fasching und Ostern. Und es geht darum, bedürftige und besonders engagierte Menschen mit ihrem Schauspiel zu unterstützen. Denn wer in Altmühlmünster die Geschichte der Aufopferung des Gottessohns miterzählt, der spielt für Gotteslohn. Hunderttausende Euro sind in den vergangenen Jahrzehnten in karitative Projekte geflossen, in die Hochwasserhilfe Neustadt, in die südafrikanische Mission, in ein Hemauer Kinderheim.

Wenn Jesus Christus in ein paar Monaten in der Pfarrkirche von Altmühlmünster insgesamt 19-mal am Kreuz sterben und die Menschen zu Tränen rühren wird, dann hat sich das Ziel der Passionsspieler erfüllt. Und auch die Anweisung von Pfarrer Dietmar Schindler wird damit wieder wahr werden. Denn Günther Schlagbauer hat einfach mal gemacht - und zwar etwas Besonderes.